Neugeborenenschwerhörigkeit

Nahaufnahme des Ohrs eines schwerhörigen Babys
Ein Anzeichen für Schwerhörigkeit kann eine fehlende Reaktion des Babys auf Geräusche in seiner Umgebung sein.
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Schwerhörigkeit bei Neugeborenen kann erblich veranlagt sein, aber auch aufgrund von Infektionen vor oder nach der Geburt entstehen. Auch Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt, wie Sauerstoffmangel oder Frühgeburtlichkeit, können das Hörvermögen beeinträchtigen.

Medizinische Expertise

Philipp Wimmer

Dr. Philipp Wimmer

Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Schönbrunner Straße 9, 1040 Wien sowie Vollbadgasse 6, 1170 Wien
www.hno-wimmer.at
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Kinder, die mit einer angeborenen oder frühkindlich erworbenen Hörminderung aufwachsen, haben oft Schwierigkeiten, Sprechen zu lernen. Zudem besteht das Risiko von Sprachentwicklungsstörungen, sozialer Isolation und einer verzögerten kognitiven Entwicklung. Entscheidend ist es daher, Hörstörungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Moderne Hörscreenings machen bereits in den ersten Lebenstagen eine zuverlässige Diagnose möglich. Eine frühzeitige Therapie, beispielsweise durch Hörgeräte oder Cochlea-Implantate, kann die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit betroffener Kinder erheblich verbessern. Auch gezielte Fördermaßnahmen wie logopädische Betreuung und spezielle Frühförderprogramme spielen eine zentrale Rolle in der Entwicklung.

  • Eine angeborene Schwerhörigkeit tritt in etwa bei 1 bis 2 von 1.000 Neugeborenen auf.
  • Für die Entstehung der Krankheit kommen pränatale, perinatale und postnatale Ursachen in Frage.
  • Die Schwerhörigkeit wird meistens schon unmittelbar nach der Geburt, bei standardmäßig durchgeführten Tests, festgestellt.
  • Um die Entwicklung von Sprachstörungen zu verhindern, behandelt man die Hörminderung schnellstmöglich. Dazu stehen heute verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
  • Ein gesunder Lebensstil der Mutter während der Schwangerschaft reduziert das Risiko.
Art Hörstörung
Ursachen pränatale, perinatale und postnatale Ursachen wie erbliche Veranlagung, Infektionen, Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt
Anzeichen Fehlende Reaktion auf Geräusche, Probleme beim Sprechen, verzögerte Sprachentwicklung, Kind ignoriert Personen, die mit ihm sprechen
Diagnose Neugeborenen-Hörscreening, Hirnstammaudiometrie, Tympanometrie, bildgebende Verfahren
Therapie Behandlung je nach Ursache und Schweregrad z.B. Ohrinfektionen mit Antiobiotika, Ohrentropfen, Hörgeräte, Cochlea-Implantat, operativ (Gehörgangsplastik)

FAQ (Häufige Fragen)

Wie verhält sich ein schwerhöriges Baby?

Meist fällt eine Schwerhörigkeit durch eine fehlende Reaktion des Babys auf Geräusche in seiner Umgebung auf. Auch Probleme beim Sprechen oder eine verzögerte Sprachentwicklung können auf eine Gehörschädigung hinweisen. Zudem kann es sein, dass das Kind Personen ignoriert, die mit ihm sprechen.

Was verursacht Hörprobleme beim Neugeborenen?

Eine Schwerhörigkeit bei Neugeborenen kann erblich veranlagt sein, aber auch durch Infektionen vor oder nach der Geburt verursacht werden. Auch Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt, wie Sauerstoffmangel oder Frühgeburtlichkeit, können das Hörvermögen beeinträchtigen.

Wann wird der Hörtest bei Neugeborenen gemacht?

Meistens wird die Schwerhörigkeit schon unmittelbar nach der Geburt, bei standardmäßig durchgeführten Tests, festgestellt.

Von Neugeborenenschwerhörigkeit spricht man, wenn bei Babys eine Hörminderung besteht. Diese kann entweder angeboren sein oder sich nach der Geburt entwickeln. Um Hörminderungen möglichst frühzeitig zu erkennen, werden Neugeborene nach der Geburt standardmäßig einem Hörscreening unterzogen. Später fallen Säuglinge mit einer Hörminderung aufgrund fehlender Reaktionen auf Geräuschquellen wie Stimmen oder Rasseln auf.

Bei etwa 1 bis 2 von 1.000 Geburten tritt eine angeborene Schwerhörigkeit auf. Frühchen und Kinder mit Vorerkrankungen sind häufiger betroffen.

Eine Unterteilung der Ursachen der Schwerhörigkeit erfolgt anhand dreier Zeiträume. Die Schwerhörigkeit kann entstehen:

  • pränatal, also vor der Geburt,
  • perinatal, das heißt während des Geburtsvorgangs,
  • oder postnatal, innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt.
Pränatale Ursachen: Infektionen (z.B. MasernRötelnToxoplasmose, Zytomegalie, Lues); Medikamenteneinnahme sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch während der Schwangerschaft; genetisch bedingt durch Vererbung oder Gendefekte (Down-Syndrom); Missbildungen der Ohrmuschel, des Gehörgangs oder des Innenohrs, Stoffwechselerkrankungen
Perinatale Ursachen: Kernikterus; Frühgeburt; Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs (Geburtstrauma), Hirnblutungen, mechanische Geburtsschäden
Postnatale Ursachen: Entzündung des Gehirns oder der Gehirnhaut (Enzephalitis Meningitis); Infektionen (z.B. Mumps, Masern, Röteln); Mittelohrentzündung (Otitis Media)

 

Da Säuglinge sich noch nicht äußern können und damit nicht aktiv an Tests mitwirken können, ist es nicht möglich, gewöhnliche Hörtests wie bei einem Erwachsenen durchzuführen. Direkt nach der Geburt wird aber standardmäßig ein sogenanntes Neugeborenen-Hörscreening durchgeführt. Eine angeborene Schwerhörigkeit ist damit leicht im Rahmen der Untersuchung festzustellen.

Wenn die Schwerhörigkeit während der ersten sechs Monate nach der Geburt einsetzt (postnatal), fällt das meist durch eine fehlende Reaktion der Babys auf Geräusche in ihrer Umgebung auf. Auch Probleme beim Sprechen oder eine verzögerte Sprachentwicklung können auf eine Gehörschädigung hinweisen. Ebenso kann es sein, dass das Kind Personen ignoriert, die mit ihm sprechen.

Das Gehör des Kindes sollte von einer Ärzt:in untersucht werden, wenn:

  • es im Alter von vier bis sechs Wochen bei lauten Geräuschen, wie dem Zufallen einer Tür nicht erschrickt
  • es im Alter von drei bis vier Monaten die Augen nicht in Richtung einer Lärmquelle richtet
  • es im Alter von sechs bis sieben Monaten noch keine zweisilbigen Laute äußert
  • es im Alter von zehn Monaten nicht auf ein ruhiges Ansprechen aus kurzer Distanz oder auf Warnrufe reagiert
  • es stiller als andere gleichaltrige Kinder ist und in der Sprachentwicklung zurückbleibt.

Folgende Diagnosemöglichkeiten stehen bei Babys zur Verfügung – sie sind schmerzfrei, erfordern keine Mitarbeit der kleinen Patient:in und können sogar während des Schlafes oder beim Stillen durchgeführt werden:

  • Neugeborenen-Hörscreening: Die Untersuchung findet kurz nach der Geburt statt, sodass schwerhörige Kinder frühzeitig erkannt werden. Das Screening kann bereits im Krankenhaus, aber auch bei einer HNO-Ärzt:in erfolgen. Zuerst wird die Reaktion des Innenohrs auf Schallreize, sogenannte otoakustische Emissionen, überprüft. Dabei wird dem Kind über eine kleine Sonde ein Ton vorgespielt. Ein gesundes Ohr wirft automatisch Schallwellen zurück, die von einem empfindlichen Mikrofon gemessen werden können. Sollte die Untersuchung kein Ergebnis oder eine fehlende Antwort liefern, wird diese mit ein ein zweites und ein drittes Mal durchgeführt. Sollten die Ergebnisse auffällig sein, folgt eine weiterführende Abklärung in einem spezialisierten Zentrum. Dort kann dann beispielsweise eine Hirnstammaudiometrie durchgeführt werden.
  • Hirnstammaudiometrie: Dabei wird dem Neugeborenen wiederum ein Ton vorgespielt. Über eine oberflächlich am Kopf angebrachte Elektrode wird gemessen, ob sich der Hirnstrom aufgrund des einkommenden Geräusches verändert. Diese Untersuchung ist nur nach auffälligem Hörscreening bei der HNO-Fachärzt:in sinnvoll.
  • Tympanometrie: Bei der Tympanometrie wird die Funktion des Mittelohrs überprüft. Dafür wird in den Gehörgang eine kleine Messsonde eingeführt. Der Gang ist damit luftdicht abgeschlossen. Über die Sonde werden die Druckverhältnisse im Ohr geändert. Somit wird das Trommelfell auf seine Elastizität und Funktionsfähigkeit überprüft und auch festgestellt, ob sich Flüssigkeit im Mittelohr befindet.
  • MRT, CT: Um die Ursache für den Hörverlust herauszufinden (z.B. bei vermuteten Knochenanomalien), können bildgebende Verfahren angewendet werden. Diese sind allerdings nur nach auffälligem Hörscreening und Hirnstammaudiometrie sinnvoll.

Je nach Ursache und Schweregrad der Schwerhörigkeit gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten:

  • Behandlung der Ursache: Wenn möglich, wird die Ursache für den Hörverlust behandelt, wie z.B. Ohrinfektionen mit Antibiotika oder Ohrenschmalz manuell oder mit Ohrentropfen.
  • Hörgeräte: Sie ermöglichen bei rechtzeitiger Behandlung meist eine normale Hör- und Sprachentwicklung. Ein konservatives Hörgerät wird im Ohr getragen oder hinter dem Ohr festgeklemmt. Ein Knochenhörgerät leitet die Schallschwingungen über den Schädelknochen an das Innenohr.
  • Cochlea-Implantat: Das sogenannte Cochlea-Implantat ist ein implantiertes Hörgerät, das bei hochgradig Schwerhörigen im Rahmen einer Operation über eine Sonde in das Innenohr eingesetzt wird.

Sollte der Grund der Schwerhörigkeit in einer Verengung des Gehörgangs liegen, kann dieser operativ geweitet werden (Gehörgangsplastik). Auch Fehlbildungen der Gehörknöchel im Mittelohr sowie das Trommelfell können künstlich wiederhergestellt werden (Tympanoplastik).

Bei einem schwerwiegendem Hörverlust ist zudem die Erlernung einer nicht-auditorischen Sprache (Gebärdensprache) sowie Lippenlesen hilfreich für das betroffene Kind. Aufgrund der Möglichkeit der Versorgung mit einem Cochlea Implantat ist dies allerdings kaum mehr von Nöten.

  • Beobachten Sie das Verhalten Ihres Kindes aufmerksam und sprechen Sie mit Ihrer Kinderärzt:in, falls Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind nicht gut hört.
  • Ist Ihr Kind schwerhörig, kann mit Hilfe von intensivem Training Defiziten bei der Sprachentwicklung entgegengewirkt werden. Mit Durchhaltevermögen und Disziplin können sich die Kinder ganz normal entwickeln und auf eine reguläre Schule gehen.
  • Impfungen gegen Mumps, Masern und Röteln können die Wahrscheinlichkeit, dass während der Schwangerschaft eine infektionsbedingte Schwerhörigkeit entsteht, mindern.
  • Während der Schwangerschaft sollten Mütter auf eine gesunde Ernährung achten, das Rauchen sowie den Konsum von Drogen vermeiden. Vor allem in der Frühphase einer Schwangerschaft können schädliche Substanzen eine negative Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes haben.
  • Ist ein Elternteil schwerhörig, erhöht sich auch die Gefahr für das Kind. Eltern können sich bei einer genetischen Beratung über die Risiken aufklären lassen.

Autor:innen:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

13. Februar 2025

Erstellt am:

2. Januar 2018

Stand der medizinischen Information:

13. Februar 2025

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