Narkolepsie (Schlafkrankheit, Schlummersucht, Sidd'sches Syndrom)

Studentin schläft während der Hausarbeit ein
Erste Symptome treten häufig bereits in der Pubertät auf und werden meist als Faulheit fehlinterpretiert.
© fizkes / Shutterstock.com
Direkt zum Inhaltsverzeichnis

Die Narkolepsie ist eine Schlaf-Wach-Störung, bei der es zu erhöhter Schläfrigkeit während des Tages und plötzlichen Schlafattacken kommt.

Medizinische Expertise

Bernd Saletu

AO. Univ.Prof. Dr. med. Bernd Saletu

Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Klinische Pharmakologie
Rudolf Kassnergasse 30, 1190 Wien
www.schlaflabor-saletu.at
Medizinische Fachbeiträge auf MeinMed.at werden von 🇦🇹 österreichischen Ärzt:innen und medizinischen Expert:innen geprüft.

Inhaltsverzeichnis

Außerdem treten bei Betroffenen Zustände ein, die normalerweise nur im Traum-Schlaf (auch REM-Schlaf genannt) üblich sind, wie der plötzliche Verlust von Muskelspannung (Kataplexie), Halluzinationen und Lähmungserscheinungen. Narkolepsie betrifft etwa jeden 1.800sten bis 2.000sten Menschen und ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Gehirnzellen angegriffen werden. Die unterschiedlichen Symptome werden mit Medikamenten behandelt, regelmäßige Schlafenszeiten und Nickerchen helfen, Schlafattacken vorzubeugen. Schwierigkeiten in Sozial- und Berufsleben durch die Probleme, wach und aufmerksam zu bleiben, sind oft die Folge. Die Schlafkrankheit kann auch bei Schädel-Hirn-Traumata oder Hirntumoren auftreten.

  • Narkolepsie ist eine neurologische Störung, die vor allem durch erhöhte Tagesschläfrigkeit und plötzliche Schlafanfälle gekennzeichnet ist.
  • Bei der Schlafkrankheit liegt ein Mangel des Botenstoffes Hypokretin vor, der für die Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig ist.
  • Häufig treten Symptome wie eine starke Tagesschläfrigkeit, Kataplexien, Schlaflähmungen oder Halluzinationen auf.
  • Neben der medikamentösen Behandlung können eingeplante Tagesschlafzeiten und körperliche Bewegung den Betroffenen helfen, die Beschwerden zu lindern.

Etwa jeder 1.800ste bis 2.000ste Mensch erkrankt an Narkolepsie. Die Kinder von Narkoleptikern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, die Schlafkrankheit zu bekommen, diese liegt bei 1-2 %. Die Erkrankung tritt bei Frauen und Männern etwa gleich häufig auf.

Narkolepsie zählt zu den autoimmunologischen Erkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigene Zellen vernichtet, wie es auch bei Diabetes Typ I passiert. Bei der Schlafkrankheit kommt es zu einem Mangel eines bestimmten Eiweißstoffes (Hypocretin / Orexin), der den Schlaf-Wach-Zustand und die Traumphasen reguliert. Dabei können sowohl die Gehirnzellen im Hypothalamus, die den Stoff produzieren, als auch die Rezeptoren, die Hypocretin / Orexin dabei helfen, seine Wirkung zu entfalten, angegriffen werden. Die Ursache für diese fehlerhafte Autoimmunreaktion kann einerseits in den Genen begründet liegen, andererseits bricht die Narkolepsie nicht bei jedem aus, der ein genetisches Risiko dafür hat. Virusinfektionen in der Kindheit, bei der nicht nur die jeweiligen Viren zerstört werden, sondern auch die Hypocretin / Orexin-Rezeptoren, sind eine weitere mögliche Erklärung. Außerdem kann Narkolepsie u.a. bei Schädel-Hirn-Trauma oder Hirntumoren auftreten.

Bei Narkolepsie gibt es 4 Gruppen von Hauptsymptomen. Jedoch müssen nicht alle bei jedem Betroffenen auftreten:

  • Erhöhte Tagesschläfrigkeit (Hypersomnolenz)
    Die Betroffenen sind tagsüber sehr müde und können sich schlecht konzentrieren, dafür wachen sie nachts auf und können manchmal stundenlang nicht wieder einschlafen. Die Müdigkeit kann auch zu Schlafattacken führen, gegen die sich der Narkoleptiker nicht wehren kann.
  • Plötzlicher Verlust von Muskelspannung (Kataplexie)
    Der Betroffene bekommt plötzlich weiche Knie oder fällt sogar hin, weil die Muskulatur ihre Spannung verliert. Etwa die Hälfte der Narkoleptiker verletzt sich dabei, am häufigsten sind blaue Flecken und Schürfwunden, seltener kommt es zu schwereren Verletzungen wie Gehirnerschütterungen. Kataplexie wird durch intensive Gefühle wie Freude, Überraschung oder Wut ausgelöst und hält meist nur einige Sekunden bis maximal eine halbe Stunde lang an.
  • Trugwahrnehmungen (hypnagoge bzw. hypnopompe Halluzinationen)
    Die lebhaften und oft angsterregenden Halluzinationen treten entweder beim Einschlafen (hypnagog) oder beim Aufwachen (hypnopomp) auf.
  • Schlaflähmung (Schlafparalyse)
    Die völlige Unfähigkeit, sich zu bewegen, tritt vorübergehend beim Einschlafen oder Aufwachen auf und hält einige Sekunden bis über eine Stunde lang an. Diese tritt auch bei Menschen ohne Narkolepsie gelegentlich auf, bei Menschen mit Depressionen ist die Schlaflähmung etwas häufiger.

Die ersten Symptome treten häufig bereits in der Pubertät auf und werden fälschlicherweise als "Faulheit" bezeichnet, da die Jugendlichen oft im Unterricht einschlafen. Wenn die Narkolepsie nicht erkannt wird, kann das für das Berufs- und Sozialleben der Betroffenen schlimme Folgen haben, da das Umfeld Müdigkeit und Schlafattacken nicht verstehen kann bzw. falsch deutet. Die Tagesschläfrigkeit ist beim Großteil der Narkoleptiker das erste Symptom, die restlichen kommen erst im späteren Verlauf hinzu.

Zur Diagnose von Narkolepsie können verschiedene Methoden eingesetzt werden. Je nachdem, welche Art der Narkolepsie es ist (z.B. mit oder ohne Kataplexie), sind manche Tests aussagekräftiger. Oft müssen mehrere Tests angewendet werden, um zur endgültigen Diagnose zu gelangen.

Die unterschiedlichen Methoden sind:

  • Schlaffragebögen und -tagebücher: Die Betroffenen geben Einblick in ihre Beschwerden.
  • Multipler Schlaflatenztest: Im Schlaflabor wird untersucht, wie schnell die Betroffenen einschlafen und wann der Traumschlaf einsetzt. Wenn die Patienten im Durchschnitt innerhalb von weniger als 8 Minuten einschlafen und bei zumindest 2 von 5 Testdurchgängen der Traumschlaf sehr früh einsetzt, ist das ein Hinweis auf Narkolepsie.
  • Hypocretin / Orexin-Spiegel-Bestimmung: Wie viel des Eiweißstoffes im Gehirn vorhanden ist, der für die Regulierung von Schlaf, Wachheit und Traum zuständig ist, wird über die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) bestimmt.
  • Genetische Testungen: Es wird getestet, ob der Betroffene in eine genetische Risikogruppe fällt.
  • Bildgebende Verfahren: Hirnscans werden gemacht, wenn es Hinweise darauf gibt, dass die Narkolepsie z.B. wegen eines Tumors auftritt.

Die erhöhte Tagesschläfrigkeit wird mit stimulierenden Medikamenten therapiert, die für verbesserte Wachheit und Aufmerksamkeit sorgen. Die anderen 3 Symptom-Arten können mit REM-reduzierenden Antidepressiva behandelt werden. Seit 2005 ist in der EU Natriumoxybat (4-Hydroxybutansäure-Natriumsalz) gegen Kataplexie registriert.

Narkolepsie-Betroffene sollten über den Tag verteilt mehrere Nickerchen halten, um den plötzlichen Schlafattacken vorzubeugen. Wenn abends z.B. noch ein Theater- oder Opernbesuch geplant ist, sollten Betroffene unbedingt "vorschlafen". Des Weiteren ist es wichtig, dass Narkoleptiker auf alle Substanzen verzichten, die zusätzlich ermüden, wie Alkohol oder Schlaftabletten.

Da Betroffene mit ihrer Energie gut haushalten müssen, ist regelmäßiger und ausreichender Schlaf in der Nacht ein Muss. Bewegung und der Abbau von Übergewicht sind ebenfalls zu empfehlen.


Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

10. Mai 2023

Erstellt am:

21. Oktober 2014

Stand der medizinischen Information:

21. Oktober 2014


ICD-Code:
  • G47

Mehr zum Thema

Derzeit aktuell

Neueste Beiträge