Was ist Rheuma?

Frau mit Rheuma greift sich auf den Rücken
Rheuma ist keine Alterserscheinung - rheumatische Erkrankungen können in jedem Alter auftreten.
© underdogstudios / Fotolia.com
Direkt zum Inhaltsverzeichnis

Der Begriff Rheuma umfasst mehr als 100 verschiedene Erkrankungen, die eines gemeinsam haben: Schmerzen und Einschränkungen des Bewegungsapparats. Dabei sind Gelenke, Knochen und Bindegewebe in irgendeiner Form vom Krankheitsgeschehen betroffen.

Medizinische Expertise

Klaus Machold

Ao. Univ.-Prof. Dr Klaus Machold

Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Klinische Abteilung für Rheumatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien
Medizinische Fachbeiträge auf MeinMed.at werden von 🇦🇹 österreichischen Ärzt:innen und medizinischen Expert:innen geprüft.

Inhaltsverzeichnis

Eine Einteilung kann getroffen werden in entzündliche (z.B. Arthritis), nicht-entzündlich rheumatische (z.B. Arthrose) bzw. stoffwechselbedingte rheumatische (z.B. Gicht) Erkrankungen, jede 3. Person wird hierzulande im Laufe seines Lebens mit der Diagnose Rheuma konfrontiert. Allerdings warten viele Betroffene zu lange, bis sie eine Ärzt:in aufsuchen, weil sie bei ihren Symptomen nicht an Rheuma denken. Dabei geht wertvolle Zeit verloren, um entzündliche Prozesse einzudämmen und die Lebensqualität zu verbessern.

  • In das rheumatische Spektrum fallen mehr als 100 verschiedene Krankheiten, die allesamt Schmerzen und Einschränkungen des Bewegungsapparates hervorrufen.
  • Unterschieden werden kann zwischen entzündlichen, nicht-entzündlichen und stoffwechselbedingten Rheuma-Formen.
  • Die beiden Hauptziele der Therapie sind die Schmerzlinderung und das Erhalten der Gelenksfunktionen. Behandelt wird meistens mit einer Mischung aus medikamentösen und physiotherapeutischen Methoden.

Rheuma ist wie oft fälschlich angenommen keine Alterserkrankung. Im Gegenteil: Rheumatische Krankheiten können in jeder Altersphase auftreten, jede dritte Österreicher:in ist zeitweise mit rheumatischen Beschwerden konfrontiert. Chronisch entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen beginnen besonders häufig um das 40. Lebensjahr. Frauen sind meist häufiger als Männer von diesen Rheumaformen betroffen.

Video: Moderne Rheuma-Therapien

Priv.-Doz. Dr. Johannes Grisar (Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Sanatorium Hera in Wien) erklärt, was Rheuma ist und wie man Arthritis von Arthrose unterscheidet. Er spricht darüber, wie man Rheuma und rheumatoide Arthritis diagnostiziert und behandelt. (August 2020)

Rheuma ist meist mit anhaltenden Schmerzen und Funktionsstörungen des Bewegungsapparats verbunden. Entscheidend dabei ist, dass Rheuma keine einzelne Erkrankung ist, sondern als ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche Leiden verwendet wird. Grob wird zwischen chronisch-entzündlichen Erkrankungen, stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen und nicht-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen unterschieden:

Chronisch entzündliche rheumatische Erkrankungen:

Entzündliches Rheuma weist folgende Symptome auf:

  • Tageszeitlich betontes Auftreten (z.B. in der Nacht, nach längerer Ruhe / Schlaf), schubartig, in Intervallen
  • Die Steifigkeit der Gelenke am Morgen dauert länger als 30 Minuten an

Die entzündlichen Erkrankungen werden durch Fehlreaktionen des Immunsystems (Autoimmunerkrankungen) hervorgerufen, die entzündliche Prozesse auslösen. Es kommt zu schmerzhaften Veränderungen im Bewegungs- und Stützapparat. Betroffen sind vor allem Gelenke (sie sind schmerzhaft geschwollen), Knochen, die Wirbelsäule, Muskeln, Sehnen und Bänder. Es können aber auch die Haut und innere Organe erkranken (Systemerkrankung). Ohne entsprechende Therapie zerstört die Entzündung die Gelenke. Durch Früherkennung und individuelle Behandlung lassen sich schwerwiegende Schäden an den Gelenken und Organen in vielen Fällen verhindern.

Stoffwechselbedingte rheumatische Erkrankungen:

Als weitere Gruppe gibt es rheumatische Erkrankungen, die durch eine Stoffwechselstörung bedingt sind, wie die Gicht oder die Pseudogicht. Bei diesen Erkrankungen kommt es in den betroffenen Gelenken oft anfallsartig zu:

  • heftigen Schmerzen
  • Rötungen
  • Schwellungen

Meist sind lediglich Einzelgelenke betroffen, wie das Grundgelenk der großen Zehe. Andere Stoffwechselerkrankungen wie die seltene Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) oder eine Schilddrüsenunterfunktion können ebenfalls Gelenk- oder Muskelbeschwerden auslösen.

Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen:

  • Arthrose (degenerative Gelenkserkrankung)
  • Fibromyalgie (degenerative Gelenkerkrankung)
  • Spondylose, Spondylarthrose (degenerative Wirbelsäulenerkrankung)

Bei den nicht-entzündlich rheumatischen Erkrankungen treten die Entzündungen als Folge der Krankheit auf. Praktisch nie kommen bei diesen Erkrankungen Beteiligungen innerer Organe vor.

Nicht-entzündliches Rheuma weist folgende Symptome auf:

  • Schleichendes Auftreten über Jahre, oft nach Unfällen (Trauma) oder bei Risikofaktoren (Übergewicht, berufliche Zwangshaltungen etc.)
  • Schmerzen sind belastungsabhängig
  • Die Steifigkeit der Gelenke geht relativ rasch vorüber, je mehr sich der Patient bewegt, desto kürzer ist die Phase

Bei den meisten Gelenkserkrankungen gehen viele zu ihrer Hausärzt:in. Wichtige Anhaltspunkte für die Erstdiagnose:

  • Wann treten die Schmerzen auf? Zu welcher Tageszeit?
  • Wo kommt es zu Schmerzen? Welche Gelenke sind betroffen?
  • Wie macht sich eine Schwellung bemerkbar?
  • Welche Maßnahmen (Bewegung, Ruhe, Selbstmedikation) führen zu Besserung und welche nicht?

Ein Blutbefund, ein Laborbefund bzw. ein Röntgen geben erste Hinweise auf eine rheumatologische Erkrankung. Wenn der Verdacht auf entzündliches Rheuma besteht, überweist die praktische Ärzt:in an die Rheumatolog:in. Diese wird gegebenenfalls weiterführende Diagnostik wie Magnetresonanztomographie, hochauflösenden Gelenkultraschall veranlassen – damit wird eine Entzündung im Gelenk sichtbar. Auch spezielle Laboruntersuchungen können helfen, die Diagnose genauer zu stellen.

Mit welchen Methoden Rheuma behandelt wird, hängt wesentlich von den Ursachen und dem möglichen Verlauf ab. Gelenkbeschwerden auf Grund von altersbedingter Abnutzung (Arthrose) erfordern ein anderes Vorgehen als die Gelenksentzündungen einer rheumatoiden Arthritis. Zusätzlich müssen Risikofaktoren wie sogenannte Autoantikörper (z.B. der "Rheumafaktor") oder Begleiterkrankungen berücksichtigt werden.

Bei den vielfältigen medikamentösen und unterstützenden physikalischen Behandlungsmöglichkeiten geht es in erster Linie darum:

  • die Gelenkszerstörung zu bremsen bzw. zu stoppen
  • Schmerzen zu lindern und
  • die Funktion des Gelenks zu erhalten
  • gegen die Gelenkszerstörung vorgehen

Verschiedene Arzneimittel wirken entzündungshemmend und schmerzstillend:

  • NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika): Diese kortisonfreien Rheumamedikamente wirken gegen Schmerz und Schwellung, sie beeinflussen aber den Krankheitsverlauf nicht.
  • Kortison: greift in die Entzündungsprozesse ein, indem es das Immunsystem "bremst".
  • Basistherapeutika: Bei den chronisch-entzündlichen Erkrankungen kommen sogenannte Basistherapeutika zum Einsatz, die als Dauermedikation in den Krankheitsverlauf eingreifen und die Gelenkszerstörung mindern oder aufhalten.
  • Biologika: Wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit herkömmlichen Basistherapeutika nicht ausreichen, werden sogenannte "Biologika" eingesetzt.

Es gibt noch eine Reihe von anderen medikamentösen Möglichkeiten, die gezielt auf die jeweilige Rheumaerkrankung abgestimmt sind.

Schmerzen haben meist einen nachweisbaren Auslöser, bei den entzündlichen-rheumatischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis ist es die Entzündung, die sehr schmerzt. Bei der Arthrose sind es eher mechanische Gründe wie Abnützungen, Muskelverspannungen, Überbelastung, die zu Schmerzen führen. Ein Grund, möglichst rasch gegen Schmerzen vorzugehen, liegt im "Schmerzgedächtnis" des Gehirns. Länger andauernde (chronische) Schmerzen können Spuren in den Nervenbahnen, im Gehirn und im Rückenmark hinterlassen.

Stufenplan Schmerztherapie

Bei der Schmerztherapie werden als Basistherapie (Stufe 1) nicht-opioide Analgetika (reine Schmerzmittel) eingesetzt. Neben Schmerzcremen, die ihre schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung lokal auf Rücken, Muskeln und Gelenke entfalten, gibt es auch schmerzstillende Medikamente zum Einnehmen.

Wenn diese Medikamente nicht ausreichen, oder nicht vertragen werden, erfolgt eine Kombination mit schwach wirksamen Opioiden (Stufe 2). Erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten kommen stake Opioide zum Einsatz (Stufe 3). Opioide ist ein Sammelbegriff für morphinähnlich wirkende Substanzen.

Stufe 1 Reine Schmerzmittel (nicht-opioide Analgetika) NSAR (nicht-steriodale Antirheumatika)
Stufe 2 Kombination Nicht-opioide Analgetika + schwach wirksame Opioide
Stufe 3 Kombination Nicht-opioide Analgetika + starke Opioide

Schmerzstillende Komedikation

Außer den genannten Schmerzmitteln gibt es eine Reihe von Medikamenten, die quasi als "Nebenwirkung" ebenfalls eine schmerzstillende Wirkkomponente aufweisen, wie Antidepressiva, Medikamente gegen Epilepsie oder gegen Parkinson-Erkrankung. Insbesondere bei der Behandlung komplexer chronischer Schmerzzustände sollte an diese Möglichkeit der Schmerztherapie gedacht werden.

Bei Schmerzen, die vor allem an einer einzigen oder einigen wenigen Stellen, wie Einzelgelenken, Muskelansätzen etc. bestehen, sollte auch an eine Infiltration (Injektion mit einem Betäubungsmittel mit oder ohne Kortison) am Ort des Schmerzes oder der Entzündung gedacht werden.

Basis jeder Rheumabehandlung ist Bewegung (Heilgymnastik), wenn nötig auch mit Unterstützung von Schmerzmitteln. Ein spezieller Bewegungsplan berücksichtigt die persönlichen (Schmerz-)Grenzen, die Beweglichkeit der Gelenke lässt sich nur durch regelmäßiges Training erhalten.

Physikalische Therapie regt das Gewebe z.B. durch Wärme, Kälte, elektrische Ströme, Massage und Ultraschall an. Um die Schmerzen zu lindern eignen sich Wärme, Elektrotherapie und Ultraschall; der Kräftigung der Muskeln dienen Krankengymnastik und Elektrotherapie.

Juvenile Arthritis ist eine Form von Rheuma, die bei Kindern und Jugendlichen unter dem 16. Lebensjahr auftritt und zu chronischen Entzündungen der Gelenke führt. Etwa eines von 1.000 Kindern unter 16 Jahren in Österreich ist daran erkrankt, die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt bei zirka 8 von 100.000 Kindern.

Die Prognose dieser Form von Rheuma ist relativ gut: Die Juvenile Arthritis bildet sich bei zirka 50 % der Betroffenen ohne langfristige Auswirkungen im Zuge der Therapie zurück. Bei schweren Verlaufsformen hingegen ist ein Übergang bis ins Erwachsenenalter möglich.

Symptomatik

Kinder sind zu Beginn der Erkrankung merkbar in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, sie sind müde und auch weinerlich. Zu den Hauptsymptomen der Juvenilen Idiopathischen Arthritis gehören folgende Beschwerden (an den betroffenen Gelenken):

  • Schmerzen
  • Rötung
  • Schwellung
  • Überwärmung
  • Ergüsse
  • Bewegungseinschränkung
  • Morgensteifigkeit

Eine frühe Diagnose wird oft dadurch erschwert, dass gerade kleine Kinder oft nicht sagen können, was und wo genau es ihnen weh tut. Sie nehmen eine Schonhaltung ein, um ihre Gelenke zu entlasten, haben einen unruhigen Schlaf und sind nur begrenzt belastbar. Fehl- oder Überlastung des Gelenkes machen sich dann erst durch einen unsicheren Gang bemerkbar.

Da die Gelenke wegen der Schmerzen geschont werden, können weitere Folgeerscheinungen, wie Gelenkfehlstellungen, Bewegungseinschränkungen, Schonhaltungen oder Entwicklungsstörungen hinzukommen. Auch Hautausschläge, Fieber oder eine Entzündung von Augen, Herz oder Brustfell können auftreten.

Diagnose & Behandlung

Diagnosestellung und Behandlung der juvenilen Arthritis sind nahezu ident mit rheumatischen Formen bei Erwachsenen. Lediglich bei der medikamentösen Therapie gibt es wesentliche Unterschiede, da manche Medikamente nur eingeschränkt oder gar nicht für Kinder geeignet sind.

Verlaufsformen

Die folgenden Verlaufsformen haben als gemeinsames Merkmal eine chronische, schubhafte Entzündung der Gelenke. Sie dauern mindestens 6 Wochen an und der Beginn der Erkrankung liegt unter dem 16. Lebensjahr. Jede Entzündung entsteht ohne eine vorherige Verletzung der Gelenke:

Systemische Verlaufsform (Morbus Still): Bei dieser Verlaufsform treten Fieber und ein typischer Hautausschlag am Körper auf.
Oligoartikuläre Verlaufsform: Von dieser Verlaufsform spricht man, wenn mindestens 1 und maximal 4 Gelenke mit einer Dauer von 6 Monaten betroffen sind.
Polyartikuläre Verlaufsform: Diese Verlaufsform ist gekennzeichnet durch mehr als 5 betroffene Gelenke.
Enthesitisassoziierte Arthritis: Hier sind auch Sehnen, Sehnenscheiden und Sehnenansätze von Entzündungen betroffen.
Psoriasis-Arthritis: Ist das zeitgleiche Vorhandensein einer Entzündung der Gelenke (Arthritis) und einer Schuppenflechte (Psoriasis).

 

Ernährung: Rheumakranke sollten bei ihrer Ernährung darauf achten, wenig Wurst und Fleisch zu essen und dafür lieber zu Fisch greifen. In Schweineschmalz, Innereien, Wurst und Fleisch ist Arachidonsäure enthalten, daraus bildet der Körper die Entzündungsbotenstoffe Prostaglandine. Kaltwasserfische wie Lachs, Makrele oder Hering hingegen sind reich an Omega-3-Fettsäuren. Sie senken den Arachidonsäure-Spiegel im Blut und können dadurch entzündungshemmenden Einfluss haben.

Bewegung: Regelmäßige Bewegung und die Kräftigung der Muskulatur erhalten auch die Gelenke beweglich und können Schmerzen positiv beeinflussen. Bestimmte Bewegungsformen wie Nordic Walken, Schwimmen, Aqua-Gymnastik, Pilates oder die Feldenkrais-Methode sind gelenkschonend, auch spezielles Gruppenturnen mit krankheitsgerechten Übungen hat sich bewährt.

Es gibt auch die Möglichkeit, eine Kur bei rheumatischen Erkrankungen in Anspruch zu nehmen.


Autor:innen:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

7. März 2024

Erstellt am:

9. Dezember 2013

Stand der medizinischen Information:

7. Oktober 2021


ICD-Code:
  • M79

Mehr zum Thema

Derzeit aktuell

Neueste Beiträge