Sprachstörungen

Bub mit Sprachstörung bei der Logopädin
Buben sind von Sprachentwicklungsstörungen häufiger betroffen als Mädchen.
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Das Erlernen der Sprache und des Sprechens sind wohl die größten Leistungen, die ein Kind in seinen ersten Lebensjahren erbringt. Während die einen mühelos unter Umständen sogar mehrere Sprachen gleichzeitig lernen, treten bei anderen Spracherwerbs- und Sprachentwicklungsstörungen auf.

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Dabei ist der Sprechbeginn verspätet, der Wortschatz gering, die Aussprache sehr undeutlich und grammatikalische Regeln werden nicht oder verspätet erlernt. Die Behandlung (mittels Logopädischer Therapie) sollte möglichst früh einsetzen, um Spätfolgen wie verringerten Selbstwert, mangelnde soziale Anpassung und Probleme beim Lesen und Schreiben lernen zu vermeiden.

Video: Die Stimme im Zyklus des Lebens

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Ein verzögerter Sprechbeginn tritt bei ungefähr 15 % der 2-Jährigen auf, Sprachentwicklungsstörungen sind bei etwa 6 bis 8 % der Vorschulkinder nachzuweisen. Buben sind dabei häufiger betroffen als Mädchen, bei zirka 1 % der Kinder treten schwere Sprachbeeinträchtigungen auf. Nicht jeder verzögerte Sprechbeginn bedeutet jedoch eine Entwicklungsstörung, bei den sogenannten "Late Talkern", die mit 2 Jahren über einen sehr geringen Wortschatz verfügen, holen etwa die Hälfte der Kinder den Sprachrückstand bis zum 3. Geburtstag auf.

Einerseits können Sprachentwicklungsstörungen organische Schädigungen zugrunde liegen (z.B. Hörstörungen, neurologische Schädigungen) oder Krankheitsbilder wie Down-Syndrom oder Autismus. Auf der anderen Seite stehen die spezifischen Sprachentwicklungsstörungen, die keine offensichtliche Ursache haben.

Für Sprachentwicklungsstörungen werden generell seit einiger Zeit Veränderungen auf bestimmten genetischen Abschnitten verantwortlich gemacht. Das passt auch mit der Beobachtung zusammen, dass solche Störungen oft bei anderen Familienmitgliedern zu sehen sind. Wenn das Kind von der Familie nicht sprachlich gefordert und gefördert wird, treten Sprachentwicklungsstörungen ebenfalls häufiger auf.

Zu den frühesten Anzeichen einer Sprachentwicklungsstörung zählt der verspätete Sprechbeginn. Üblicherweise können sich die Eltern über die ersten Worte rund um den 1. Geburtstag des Kindes freuen. Gegen Ende des 2. Lebensjahres soll das Kind 50 Wörter sprechen können und Wortkombinationen (2 Wörter werden aneinandergereiht) verwenden.

Bei einer Sprachentwicklungsstörung sind folgende Symptome zu bemerken:

  • Beeinträchtigtes Sprachverständnis, das Kind versteht Aufforderungen nicht und reagiert deshalb nicht erwartungsgemäß
  • Zu geringer Wortschatz, der sich nur langsam aufbaut
  • Laute werden nicht richtig gebildet, sie werden ausgelassen oder durch andere ersetzt
  • Probleme mit der Anwendung grammatikalischer Regeln, Sätze sind verkürzt und vereinfacht
  • Probleme beim Führen eines Gesprächs
  • Probleme bei der Organisation von Erzählungen

In vielen Fällen bleiben die Probleme von sprachentwicklungsgestörten Kindern auch im weiteren Bildungsverlauf bestehen. 40-75 % dieser Kinder haben auch beim Schriftspracherwerb Probleme. Schlimmstenfalls sind noch im Erwachsenenalter die Verarbeitung verschiedener Laute und das verbale Kurzzeitgedächtnis gestört, ebenso wie die Fähigkeit, eigene Bewusstseinszustände zu benennen und sich in andere hineinzuversetzen. Die sprachliche Gewandtheit ist reduziert, daher können Berufe, bei denen diese Voraussetzung ist, nicht gewählt werden. Zudem sind auch Schwierigkeiten in der sozialen Anpassung und dem allgemeinen beruflichen Erfolg zu verzeichnen. Die Betroffenen bereits im Kindesalter bestmöglich auf ein angemessenes Sprachniveau zu bringen erscheint daher besonders wichtig.

Meist sind es Eltern und enge Bezugspersonen oder Kinderärzte und Pädagogen, denen die sprachlichen Störungen auffallen. In einem ersten Gespräch mit dem Logopäden werden diese zu den Auffälligkeiten befragt, bevor die Symptome des Kindes durch Beobachtung des Spielverhaltens, Spontansprachanalysen, Tests und Screenings genauer bestimmt werden. In diesen Testungen werden das Sprachverständnis, die Sprech- und Sprachproduktion und die kommunikativen Fähigkeiten untersucht. Logopäden arbeiten, wenn dies notwendig ist, in der Diagnostik eng mit Ärzten, Psychologen und Ergotherapeuten zusammen.

Es müssen verschiedenste Gründe ausgeschlossen werden, die eine Sprachentwicklungsstörung verursachen können. Dazu zählen:

  • Hör- und Sehstörungen
  • Störungen der Wahrnehmung und der Verarbeitung von über die 5 Sinne erfassten Informationen (sensorische Integration)
  • Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (z.B. frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom)
  • Intelligenzminderung, Mehrfachbehinderung
  • Neurologische Störungen (z.B. Aphasie)
  • Verhaltens- und emotionale Störungen (z.B. Angststörungen, Mutismus)
  • Umgebungsbedingte Sprachauffälligkeiten (z.B. durch soziale Vernachlässigung)

Sprache kann nur schrittweise entstehen, wie dies beim Spracherwerb normalerweise geschieht. Sie ist dabei eingebettet in die gesamte kindliche Entwicklung. Motorische, geistige, emotionale Fähigkeiten und die Entfaltung der Wahrnehmungsbereiche sind unerlässliche Voraussetzungen für das Sprechenlernen und dies kann nur in einer liebevollen, akzeptierenden Atmosphäre funktionieren.

Sprachentwicklungsstörungen sind abzugrenzen von Störungen der Redefähigkeit (z.B. Stottern, Poltern), zentralen Sprach- und Sprechstörungen (z.B. bei Gehirnschädigungen) und Stimmstörungen (z.B. Heiserkeit) sowie anderen Störungsbildern wie z.B. myofunktionellen Störungen, wo ein mangelhaftes Zusammenspiel der Mundmuskulatur die korrekte Aussprache bestimmter Laute verhindert und Zahnfehlstellungen verursacht.

Gründe, sich an Logopäden zu wenden:

  • Ihr Kind spricht mit 2 Jahren wenig oder noch gar nicht.
  • Ihr Kind beherrscht mit 3 Jahren nur wenige Wörter, spricht unverständlich und es zeigt sich noch keine Satzbildung.
  • Ihr Kind spricht mit 4 Jahren noch einige Laute nicht oder bildet diese fehlerhaft, der Satzbau und die Grammatik sind nicht entsprechend.
  • Ihr Kind reagiert nicht entsprechend auf Aufforderungen oder Aufträge, antwortet immer mit Ja oder Nein oder spricht von etwas anderem.
  • Ihr Kind hat häufig den Mund offen, atmet nur durch den Mund, hat einen vermehrten Speichelfluss und kaut ungern feste Nahrung.
  • Ihr Kind lispelt und die Zunge erscheint beim Sprechen zwischen den Zähnen.
  • Ihr Kind spricht nicht flüssig, bleibt bei Lauten oder Silben hängen oder wiederholt diese.

Da die Symptome der Sprachentwicklungsstörungen sehr vielseitig sind, wird die Therapie auf die individuellen sprachlichen Probleme abgestimmt. Logopäden helfen den Kindern dabei, ihre sprachlichen Fähigkeiten auszubauen. Nach der Bestimmung des individuellen Störungsbildes, der aktuellen Sprachkenntnisse und des Sprachverständnisses, werden Therapieziele erarbeitet. Oft ist es notwendig, dem Kind die Freude am Kommunizieren zu vermitteln und es die Sprache als Kommunikations"mittel" erfahren zu lassen. Das Kind wird darin unterstützt, den jeweils nächsten Schritt der Sprachentwicklung zu erreichen. Es wird von Interessensgebieten des Kindes ausgegangen – so kann der Wortschatz schrittweise erweitert werden. Viele Kinder müssen die verlässliche Bedeutung von Wörtern "begreifen". Dies gelingt im Spiel mit allen Wahrnehmungsbereichen (z.B. einen Apfel sehen, riechen, schmecken, angreifen). Die Mundmotorik wird gefördert, Laute werden spielerisch erarbeitet, es werden die Unterschiede von ähnlich klingenden Lauten dargestellt und grammatikalische Formen werden dem Kind bewusst gemacht.

Für das Gelingen der Therapie ist das kindliche Umfeld von besonderer Bedeutung. Eltern oder sonstige Bezugspersonen können mit kleineren Kindern regelmäßige Spieleinheiten im Alltag einführen. Im gemeinsamen, dem Alter entsprechendem Spiel besteht die tägliche Förderung. Ideen können die Logopäden dazu liefern. Bei größeren Kindern müssen die Eltern darauf achten, die logopädischen Übungen zu Hause täglich durchzuführen. Zudem übernehmen sie außerhalb der Therapie wichtige Motivations- und Feedback- Leistungen für das Kind. So sollen Fehler des Kindes nicht als solche hervorgehoben werden, um die Lernmotivation nicht zu schwächen. Indem das Wort oder der Satz des Kindes in seiner korrekten Form wiederholt wird, erhält das Kind das elterliche Feedback. Auf das kindliche "Da Taun" kommt: "Ja, da ist der Zaun." Das Kind muss dabei nicht nachsprechen! Es ist sehr wichtig, das Kind als kompetenten Gesprächspartner ernst zu nehmen. Häufig übernehmen Eltern in ihrem Bemühen, das Kind zu fördern, die Rolle den Alltag zu erklären und zu kommentieren. Die Kinder erhalten so häufig keine Möglichkeit, sich sprachlich zu äußern.

  • Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Band 1: Selbstverständnis und theoretische Grundlagen, M. Grohnfeldt (Hrsg.), Verlag W. Kohlhammer, 2. Auflage, Stuttgart, 2005
  • Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Band 4: Beratung, Therapie und Rehabilitation, M. Grohnfeldt (Hrsg.), Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 2003
  • Störungen der Sprachentwicklung: Grundlagen - Ursachen - Diagnose - Intervention - Prävention, H. Grimm, Hogrefe Verlag, 2. Auflage, Göttingen, 2003
  • D. F. Newbury, A. P. Monaco: Genetic Advances in the Study of Speech and Language Disorders, In: Neuron 2010, 68, S. 309-320
  • J. Clegg, C. Hollis, L. Mawhood, M. Rutter: Developmental language disorders – a follow-up in later adult life. Cognitive, language and psychosocial outcomes, In: Journal of Child Psychology and Psychiatry 2005, 46:2, S. 128-149

Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

2. Januar 2023

Erstellt am:

23. Juli 2014

Stand der medizinischen Information:

23. Juli 2014

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