Frauen sind besonders oft betroffen. Ursachen können geringer Selbstwert, eine gestörte Impulskontrolle oder eine veränderte Wirkweise im Belohnungszentrum des Gehirns sein. Depressionen, Angst-, Zwangs- und Essstörungen sind häufig damit verbundene Krankheiten. Was oft als Frustkauf beginnt, wird eine Gewohnheit, die von negativen Gefühlen ablenken soll. Wie bei anderen Süchten (z. B. Alkohol, Drogen) muss mit der Zeit die Dosis gesteigert werden, um (kurzfristig) einen angenehmen Gemütszustand zu erreichen. Die Folgen: Schwere finanzielle Probleme, Verlust von sozialen Netzwerken, Wohnung und Job. Medikamentöse Therapien und Psychotherapie (u. a. kognitive Verhaltenstherapie) dienen der Behandlung.
- Unter einer Kaufsucht versteht man eine nicht stoffgebundene Form von Abhängigkeit.
- Menschen mit Kaufsucht haben ein unkontrollierbares Verlangen, etwas zu kaufen.
- Kaufsucht kann an Krankheitsbilder wie Angst- oder Essstörungen gekoppelt sein.
- Um von Problemen oder negativen Gefühlen abzulenken, kann Einkaufen zur Erleichterung dienen, da sich die Stimmung kurzzeitig verbessert.
- Eine Behandlung von Kaufsucht kann unter anderem mithilfe der kognitiven Verhaltenstherapie erfolgen.
Art | Suchtverhalten |
---|---|
Risikofaktoren | Frustkäufe, fehlende Verarbeitung negativer Erlebnisse, niedriger Selbstwert |
Ursachen | Prozesse im Gehirn |
Anzeichen | regelmäßig stark ausgeprägter Kaufwunsch, Gekauftes wird kaum benutzt, Entzugserscheinungen |
Therapie | Psychotherapie, Medikamente |
Den aktuellsten verfügbaren Erhebungen zufolge sind etwa 11 % aller Österreicher:innen von einer reinen Kaufsucht betroffen. Darüber hinaus sollen weitere 24 % kaufsuchtgefährdet sein. Fast 70 % der Betroffenen sind Frauen, wobei unabhängig vom Geschlecht die Gruppe der unter 30-Jährigen besonders anfällig für Konsumsucht ist. Die Anzahl der alleinstehenden Personen ist unter den Kaufsuchtgefährdeten doppelt so hoch wie bei Menschen mit nicht zwanghaftem Konsumverhalten.
Kaufsucht entsteht häufig aus der Verhaltensgewohnheit, einzukaufen, um negative Gefühle auszublenden – der klassische Frustkauf. Recht schnell kann diese Gewohnheit zur Sucht führen und das einzige Verhalten werden, das einen angenehmen Gemütszustand verursacht. Die Betroffenen haben nicht gelernt, mit negativen Gefühlen umzugehen und erwarten sich von der Shoppingtour Erleichterung. Studien zeigen, dass sich die Stimmung tatsächlich verbessert, jedoch ist dieser Effekt nur von kurzer Dauer. Das Einkaufen wird also zur Ersatzhandlung für die Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen: Anstatt negative Erfahrungen, Traurigkeit oder Misserfolge zu verarbeiten, wird eingekauft, um diese zu vergessen.
Als unmittelbare Ursachen der Kaufsucht werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen. Einerseits könnten Hirnprozesse – vor allem die Ausschüttung von "Belohnungshormonen" – für das zwanghafte Kaufen verantwortlich sein. Andererseits wird auch mangelnde Impulskontrolle, also die fehlende Kontrolle über plötzlich auftretende Wünsche, als Grund für Kaufsucht angegeben. Zudem kaufen viele Betroffene ein, um ihren niedrigen Selbstwert zu heben. Hauptsächlich aber ist Kaufsucht ein kulturelles Phänomen: Lediglich in westlichen Industrieländern, in denen viele Güter zur Auswahl stehen und auch regelmäßiges Einkommen verfügbar ist, tritt sie in relevantem Ausmaß auf.
Zu den Symptomen einer Kaufsucht gehören folgende Verhaltensweisen:
- Der Kaufwunsch ist so stark ausgeprägt, dass ihm kaum widerstanden werden kann. Beginn und Dauer des Kaufrausches können schwer von Betroffenen kontrolliert werden.
- Es muss immer häufiger eingekauft werden, um den gewünschten Gefühlszustand zu erreichen (Dosissteigerung).
- Das Gekaufte wird kaum benutzt, sondern eher gesammelt und gehortet. Andere Interessen und Hobbys werden vernachlässigt.
- Es wird weiter eingekauft, obwohl das Verhalten bereits negative Konsequenzen nach sich zieht (z. B. Verschuldung).
- Wenn nicht eingekauft werden kann, treten Entzugserscheinungen auf, wie das unangenehme Gefühl, eine wichtige Einkaufsgelegenheit zu verpassen.
Häufig treten andere psychische Störungsbilder gemeinsam mit Kaufsucht auf. Dazu gehören:
- affektive Störungen (vor allem Depressionen)
- Zwangsstörungen
- Angststörungen
- Essstörungen (vor allem Binge-Eating-Störung)
- Abhängigkeit von Suchtmitteln (z. B. Alkohol, Nikotin, Drogen)
Wenn das zwanghafte Kaufverhalten aufrecht bleibt, kommt es zur Vernachlässigung aller anderen Lebensbereiche. Das kann neben finanziellen Problemen und Verschuldung auch zu Beziehungsproblemen bis hin zum Verlust von sozialen Netzwerken, Wohnung und Arbeit führen. Häufig entstehen vor dem Hintergrund dieser vermeintlich ausweglosen Situation erst oben genannte weitere psychische Störungsbilder.
Eine Kaufsucht bleibt oft lange unerkannt, da das Einkaufen bis zu einem gewissen Grad zum täglichen Leben dazugehört. Oftmals verstecken Kaufsüchtige ihre Einkäufe aus Scham auch vor Angehörigen und Freund:innen. Wenn die Betroffenen nicht selbst Hilfe suchen, wird das Problem oft erst dann entdeckt, wenn die finanzielle Not bereits groß ist.
Die Diagnose Kaufsucht kann mithilfe von verschiedenen Fragebögen gestellt werden, in Kombination mit einem eingehenden Gespräch über Kaufwünsche und -gewohnheiten mit Ärzt:in oder Therapeut:in. Zudem müssen eventuell bestehende andere psychische Störungen und Abhängigkeiten abgeklärt werden.
Suchtverhalten wird heute in den meisten Fällen nicht als eigenständige Krankheit, sondern als Symptom oder Folgestörung verstanden. Das bedeutet, dass nicht nur das unangepasste Verhalten – zwanghaftes Kaufen – behandelt wird, sondern auch das zugrundeliegende Problem. Es gibt zwei grundlegende Therapiemethoden, die oft auch parallel eingesetzt werden:
- Medikamente: Es kommen unter anderem Mittel zur Bekämpfung von Sucht zum Einsatz. Insbesondere bei Betroffenen, die zusätzlich an einer Depression leiden, ist eine medikamentöse Therapie oft zielführend.
- Psychotherapie: Gute Ergebnisse erzielt unter anderem die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei geht es vor allem darum, unpassende Gedanken und Gefühle wieder vom Akt des Einkaufens zu entkoppeln. Betroffene erarbeiten außerdem mit der Therapeut:in Coping-Strategien, um sich mit ihren Gefühlen auf eine andere Art auseinanderzusetzen als einzukaufen.
Sich einzugestehen, dass das ständige Einkaufen zu einem Problem geworden ist, ist der erste Schritt zur Besserung. Betroffene sollten ihr Leben wieder mit anderen Aktivitäten bereichern und sich neue Aufgaben und Hobbys suchen. Diese lenken vom Kaufzwang ab und bieten Möglichkeiten, Glücksgefühle auch durch andere Verhaltensweisen herbeizuführen.
Zusätzlich können Betroffene auf Kreditkarten verzichten, um unbedachtes Geldausgeben einzuschränken, und nur in Begleitung von Freund:innen, die nicht kaufsüchtig sind, einkaufen gehen. Auch das Führen eines Haushaltsbuches, in dem die Ausgaben notiert werden, kann bei Kaufsucht helfen.
- Interview mit Dr. Wolfgang Gombas, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut
- D. W. Black: A review of compulsive buying disorder, In: World Psychiatry, 2007, 6, S. 14-18 M. Lejoyeux, A. Weinstein: Compulsive Buying, In: The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 2010, 36, S. 248-253
- A. Müller et al.: Mood states preceding and following compulsive buying episodes: an ecological momentary assessment study, In: Psychiatry Research, 2012, 200, S. 575-580
- Institut Suchtprävention: Kaufsucht (29.03.2023)
- Statistiken zur Kaufsucht in Österreich, von der Österreichischen Arbeiterkammer. (29.03.2023)