Wahn tritt bei 2 – 3 % aller Menschen als isolierte wahnhafte Störung auf. In diesen Fällen liegen außer dem Wahn – der u. a. Verfolgung, Schuld oder Eifersucht zum Thema haben kann – keine anderen Symptome psychischer Störungen vor. Der Verlauf ist meist chronisch, die Behandlung mittels Medikamente und Gesprächstherapie wird oft nicht gut angenommen. Häufig ist Wahn auch ein Symptom von diversen psychischen Störungen.
- Unter einem Wahn versteht man eine unkorrigierbare Fehlbeurteilung der Wirklichkeit.
- Häufig treten Wahnvorstellungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Manie auf.
- Es gibt unterschiedliche Arten von Wahnthemen wie den Beziehungswahn oder Eifersuchtswahn.
- Die Übergänge zwischen normalen Vorstellungen und krankhaften Wahnvorstellungen sind meist fließend. Entscheidend ist die subjektive Gewissheit der Patient:in über die Wahninhalte.
- Die Behandlung eines Wahns kann mittels Psychotherapie oder Medikamenten erfolgen.
Art | psychische Störung |
---|---|
Beschreibung | unkorrigierbare Fehlbeurteilung der Wirklichkeit |
Ursache | Störungen in bestimmten Regionen im Frontallappen des Gehirns |
Risikofaktoren | Schizophrenie, affektive Störungen wie Depressionen |
Diagnose | Anamnese, Beurteilung anhand bestimmter Kriterien |
Therapie | medikamentöse Behandlung, Psychotherapie |
Rund 2 – 3 % aller Menschen sind von wahnhaften Störungen betroffen. Bei diesen psychischen Störungen ist Wahn das einzige Symptom.
Des Weiteren kann Wahn als Symptom einiger psychischer Erkrankungen auftreten:
- Schizophrenie (1 % Betroffene in der Bevölkerung)
- affektive Störungen wie Depressionen, Manie, bipolare Störungen (7 – 18 % Betroffene)
- organische psychische Störungen, z. B. Demenz (20 % Betroffene bei über 65-Jährigen)
Die Ursachen des Wahns sind noch nicht vollends erforscht. Neuere Studien gehen davon aus, dass Störungen in einer bestimmten Region im Frontallappen des Gehirns (der ventromediale präfrontale Cortex) die Wahnvorstellungen auslösen könnten, unter Einfluss des Botenstoffs Dopamin. Diese Hirnstrukturen sind unter anderem dafür verantwortlich, wie subjektive Vorstellungen über die Realität geschaffen werden, welche Gefühle in verschiedenen Situationen empfunden werden und geben Einsicht darüber, was man selbst und was andere denken.
Bei Wahn werden realen Sinneswahrnehmungen (z. B. ein Auto, das vor der Haustür parkt) abnorme Bedeutungen zugeordnet (z. B., dass man von jemandem überwacht wird). Diese Wahnwahrnehmungen sind unkorrigierbar, da die Betroffenen keine Realitätskontrolle durchführen können.
Wahnvorstellungen beginnen mit einer Wahnstimmung, also dem unbestimmten Gefühl, dass irgendetwas vor sich geht. Nach und nach tritt die Wahngewissheit ein – einzelne Wahnerlebnisse (z. B. Auto, das vor der Tür steht; Mann, der einen seltsam angesehen hat) werden verknüpft, manchmal zu zusammenhängenden Wahnsystemen, in die auch andere Personen einbezogen werden. Man unterscheidet folgende Wahnthemen:
Arten des Wahns | Symptome | Vorkommen |
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Beeinträchtigungswahn | ständige Benachteiligung und Ungerechtigkeiten werden wahrgenommen | besonders bei älteren Menschen (ab dem 6. / 7. Lebensjahrzehnt) |
Beziehungswahn | Erkrankte:r hat das Gefühl, alles um ihn herum geschieht seinetwegen und um ihm ein Zeichen zu geben; Gefühl, dass andere über einen spotten und lachen | häufigstes Thema bei wahnhafter Störung und oft bei beginnender Schizophrenie |
Dermatozoenwahn | Überzeugung, dass kleine Tierchen, Würmer oder Parasiten den Körper befallen haben, verbunden mit Halluzinationen des Spürsinns (Krabbeln auf oder unter der Haut) | vorwiegend bei älteren Frauen, öfters im Zusammenhang mit Demenz; tritt vor allem bei organisch psychischen Störungen auf |
Doppelgängerwahn | Erkrankte:r ist überzeugt, dass eine Bezugsperson eine Doppelgänger:in hat oder die eigene Person durch eine Doppelgänger:in verdrängt wird | kann unter anderem bei Schizophrenie, Demenz auftreten |
Dysmorphophobie | wahnhafte Idee, dass man von anderen, aufgrund von tatsächlichen oder eingebildeten Missbildungen des Körpers, abschätzig beurteilt wird | gelegentlich bei beginnender Schizophrenie |
Eifersuchtswahn | betroffene Person ist unkorrigierbar von der Untreue der Partner:in überzeugt | bei wahnhafter Störung, Alkoholismus, Schizophrenie; bei Männern häufiger als bei Frauen |
Eigengeruchsparanoia | eingebildete Wahrnehmung eines unangenehmen eigenen Körpergeruchs | z. B. als Symptom von schizophrenen Störungen |
Größenwahn | eigene Person, Fähigkeiten und Bedeutung werden maßlos überschätzt | bei Schizophrenie, Manie, organischen psychischen Störungen |
hypochondrischer Wahn | Krankheitswahn; umfasst unter anderem Eigengeruchsparanoia, Dysmorphophobie, Dermatozoenwahn | unter anderem bei Schizophrenie, Demenz |
Kleinheitswahn | Gegenstück zum Größenwahn – Betroffene zweifeln ihre Fähigkeiten, manchmal sogar ihre Existenz an; Gefühl der Ohnmacht | unter anderem in Verbindung mit Depressionen |
Liebeswahn | wahnhafte Idee, von einer bestimmten Person geliebt zu werden | oft bei wahnhafter Störung, bei Frauen häufiger als bei Männern |
Querulantenwahn | wahnhafte Überzeugung, ständig Rechtskränkungen zu erleiden | Auslöser sind tatsächliche oder eingebildete Ungerechtigkeiten, Persönlichkeit meist starrsinnig und rechthaberisch (paranoide Persönlichkeitsstörung) |
Schuldwahn | Überzeugung, dass man schuld an einem Verbrechen oder einer sonstigen Verfehlung ist | unter anderem in Verbindung mit Depressionen |
Verarmungswahn | wahnhafte Idee, vor dem finanziellen Ruin zu stehen | unter anderem in Verbindung mit Depressionen |
Verfolgungswahn | Erkrankte:r hat das Gefühl, bedroht und verfolgt zu werden bzw., dass ein Komplott (gegen ihn) geschmiedet wird | besonders häufig bei Schizophrenie |
Bei vielen Betroffenen, bei denen Wahn isoliert (nicht im Rahmen einer anderen psychischen Erkrankung) auftritt, ist der Verlauf chronisch. Erkrankte Personen lassen sich oft ungern therapeutisch oder medikamentös behandeln. Bei manchen Arten des Wahns (z. B. Kleinheitswahn) kommt es zudem zum Rückzug aus dem Sozialleben.
Wahn ist oft schwer zu diagnostizieren, besonders wenn der Wahn (wie in der anhaltenden wahnhaften Störung) isoliert auftritt. Die Übergänge zwischen normalen Vorstellungen (z. B., dass man nachts auf der Straße verfolgt wird), wie sie auch gesunde Personen haben, und krankhaften Wahnvorstellungen sind fließend. Wichtige Kriterien, um Wahn zu diagnostizieren, sind die subjektive Gewissheit der Patient:in über die Wahninhalte, die Unwiderlegbarkeit (die betroffene Person kann nicht vom Gegenteil überzeugt werden) und die Unkorrigierbarkeit der Wahnwahrnehmungen.
Die Therapie erfolgt mittels Medikamente und Gesprächstherapie. Dabei ist zu beachten, dass Psychopharmaka nicht immer Wirkung zeigen, was unter anderem an der unklaren zugrundeliegenden Ursache der Wahnvorstellungen liegt. Auch die psychotherapeutischen Gespräche werden zum Teil schlecht angenommen, da die Betroffenen so sehr von ihren Wahnwahrnehmungen überzeugt sind, dass sie die objektive Realität, die neben ihrer subjektiven Realität besteht, nicht akzeptieren können.
Wenn Wahn im Rahmen von Schizophrenie, Depressionen oder organischen psychischen Störungen auftritt, müssen diese Erkrankungen entsprechend behandelt werden.
Es ist wichtig, dass die Betroffen:e versucht, durch den Wahn vernachlässigte Aufgaben (z. B. die Ausbildung) wieder aufzugreifen und auch die sozialen Kontakte wieder stärker zu pflegen, wenn das durch den Wahn nicht möglich war. Zusätzlich sollten Menschen mit Wahnvorstellungen keine Drogen (z. B. psychoaktive Substanzen, Cannabis) und keinen Alkohol zu sich nehmen, da diese die wahnhaften Symptome verstärken.
- Psychiatrie – einschließlich Psychotherapie, R. Tölle & K. Windgassen, Springer Medizin Verlag, 16., überarbeitete und ergänzte Auflage, Heidelberg 2012
- "Delusion-prone individuals: Stuck in their ways?" von K. R. Laws, T. K. Kondel, R. Clarke und A.-M. Nillo. In: Psychiatry Research 2011. (07.08.2023)