Im Gegensatz zur Physiotherapie steht nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Bei kognitiven Problemen, wie zum Beispiel bei Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis oder der Aufmerksamkeit, kommen Ergotherapeuten auch zum Einsatz und helfen gegebenenfalls den Patienten bei einer (Wieder-)Eingliederung ins Arbeitsleben.
Ergotherapeuten können in vielen verschiedenen Fällen eingesetzt werden.
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Krankheiten, Unfälle: Nach Unfällen, die zu Querschnittslähmungen, Verletzungen des Gehirns oder dem Verlust von Gliedmaßen führen, können Ergotherapeuten den Patienten dabei helfen, die Aktivität des täglichen Lebens wieder selbstständig zu meistern. Rheumatische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfälle, Demenz oder Multiple Sklerose und nicht zuletzt die Hilfeleistung bei psychischen Erkrankungen – von Angststörungen über Depressionen bis hin zu Psychosen – fallen ebenfalls in das Aufgabengebiet der Ergotherapie.
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Behinderungen: Bei geistigen und körperlichen Einschränkungen unterstützt ein Ergotherapeut in erster Linie bei der Eingliederung ins alltägliche Leben und der Teilhabe an Aktivitäten.
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Kinderheilkunde (Pädiatrie): Bei angeborenen Erkrankungen oder Behinderungen bei Kindern kann die Zusammenarbeit mit einem Ergotherapeuten das Leben erleichtern. Auch bei der Behandlung von Entwicklungs-, Lern- und Wahrnehmungsstörungen ist der Besuch einer Praxis für Ergotherapie hilfreich.
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Altersheilkunde (Geriatrie): Zunehmende Bedeutung gewinnt die Ergotherapie in der Altersheilkunde. Rehabilitation, die Vermittlung neuer Lebensinhalte und neuer Sozialkontakte sind für viele ältere Menschen von großer Bedeutung. Zusätzlich fördern Gedächtnistrainings die Anregung geistiger Aktivität. Beim Erhalt oder Wiederaufbau körperlicher Belastbarkeit überschneidet sich die Ergotherapie zum Teil mit der Physiotherapie, z.B. bei der Behandlung von Gleichgewichtsstörungen.
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Gesundheitsförderliche/ergonomische Beratung: Ergotherapeuten helfen Menschen dabei etwaigen Schäden durch falsche Haltung oder Bewegung vorzubeugen.
Je nach Bedarf werden in der Ergotherapie Selbstständigkeitstrainings, berufsvorbereitende Trainings oder Kreativ-Techniken eingesetzt. Durch Beratung und die speziellen Trainings werden Möglichkeiten gefunden, Alltags-, Arbeits- oder Schulsituationen besser zu bewältigen. Dabei werden sowohl körperliche Fähigkeiten und Ausdauer gestärkt als auch die geistigen und sozialen Kompetenzen.
Gemeinsam mit Ihrem Ergotherapeuten erarbeiten Sie in der ersten Sitzung einen Behandlungsplan, der vor allem Ihre Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt. In Folge führen Sie je nach Behandlungsplan unterschiedliche Tätigkeiten aus, um Ihre vorhandenen Fähigkeiten zu verbessern. Manchmal sind dies auch handwerkliche und gestalterische Tätigkeiten. Wenn es ohne Hilfsmittel nicht möglich ist, eine gewünschte Handlung selbstständig durchzuführen, erlernen Sie gemeinsam mit dem Ergotherapeuten den Gebrauch dieser. Hilfsmittel können z.B. bei Behinderungen den Alltag erleichtern und zu größtmöglicher Selbstständigkeit verhelfen.
Selbstständigkeitstraining
Beim Selbstständigkeitstraining lernt der Patient, wie er sich alleine an- und ausziehen kann, sich waschen und ohne Hilfe essen kann. Menschen, die ihre Hände aufgrund von rheumatischen Erkrankungen wie Arthritis oder angeborenen Verformungen nur eingeschränkt benützen können, bekommen Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. So können spezielle Griffe am Besteck helfen, dass der Patient es besser halten kann. Bei geistigen Einschränkungen wird auch geübt, wie man sich in sozialen Situationen verhält und sich in eine Gruppe integriert.
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Berufsvorbereitende Trainings
Wenn Sie nach einer Erkrankung oder einem Unfall oder bei vorliegenden Behinderungen wieder ins Arbeitsleben eintreten wollen, hilft Ihnen ein Ergotherapeut dabei. Gemeinsam testen Sie aus, wie belastbar Sie bereits sind. Dann trainieren Sie Fähigkeiten wie Konzentration und erhöhen durch gezieltes Training Ihr Arbeitstempo. Wenn eine gute Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Arbeitgeber möglich ist, kann die Ergotherapie auch am alten Arbeitsplatz weitergeführt werden, bis die nötige Leistungsfähigkeit wieder hergestellt ist. Der Ergotherapeut nimmt dabei nicht nur auf Ihre geistige und körperliche Gesundheit Rücksicht, sondern auch auf Ihre psychische Stabilität.
Kreativ- Techniken
Kreativ-Techniken werden in unterschiedlichen Einsatzgebieten der Ergotherapie angewandt. Malen, Falt- oder Flechtarbeiten fördern Wahrnehmung und Koordination und stellen eine sinnvolle Tätigkeit dar. In der Kinderheilkunde werden oft Spiele eingesetzt, zum Beispiel solche, bei denen Geschicklichkeit, Kreativität oder soziale Fähigkeiten trainiert werden.
Soziale Kontakte sind auch für ältere Menschen sehr wichtig: Deswegen wird in der Ergotherapie darauf geachtet, dass viele Tätigkeiten in Gruppen durchgeführt werden können. Gedächtnistrainings sind ebenfalls ein wichtiger Teil des Behandlungsplans. Arbeiten mit Papier, Stoffen, Ton oder Schmuck erfordern Überlegung und Aufmerksamkeit und sorgen für bessere Gedächtnisleistungen.
Die Ergotherapie wird von einem Facharzt oder einer Fachärztin verordnet. Die Länge der Therapie richtet sich nach den Bedürfnissen und Fortschritten der Patienten. Gesunde Menschen können sich ohne ärztliche Verordnung von Ergotherapeuten beraten lassen. Die ergonomische Beratung hilft, durch richtige Bewegung und Haltung Schäden vorzubeugen.
Sie sollten die während der Therapie eingeübten Verhaltensabläufe auch in Ihren Alltag integrieren. Setzen Sie die Hilfsmittel ein, die Sie bekommen haben und versuchen Sie auch zu Hause, Ihre Selbstständigkeit stückweise zu erweitern.
Die Ausbildung zum Ergotherapeuten erfolgt in Österreich in einem Fachhochschulstudium, das mit dem Bachelor abschließt (ein Master-Studium ist optional). Ausgebildete Ergotherapeuten arbeiten unter anderem in Krankenhäusern, Rehabilitations- und Therapiezentren oder haben ihre eigene Praxis für Ergotherapie. Auch in Pflegeheimen, (Sonder-)Kindergärten und -schulen oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen werden Ergotherapeuten eingesetzt.
Der Erfolg der therapeutischen Behandlung hängt stark von der Kooperation mit dem Therapeuten ab. Unerlässlich ist, dass Sie die Behandlungstermine einhalten, die Sie vereinbart haben und die gelernten Übungen und Verhaltensweisen in Ihren Alltag integrieren.
Wie bereits erwähnt, müssen Sie die nötige Motivation mitbringen, an der Therapie teilzunehmen. Wichtig ist auch – gerade bei Kindern oder bei Menschen mit Behinderungen –, dass Bezugspersonen die Therapie unterstützen und miteinbezogen werden.
Die Kosten, die Sie selbst für eine Ergotherapie tragen müssen, richten sich nach Ihrer Krankenkasse. Die öffentlichen Krankenkassen in der Steiermark, in Kärnten, Vorarlberg und Niederösterreich haben keinen Vertrag mit Ergotherapeuten abgeschlossen, jedoch ist eine Rückerstattung von 22 bis 25 Euro pro Therapieeinheit möglich. Die öffentlichen Krankenkassen in Oberösterreich, Salzburg und Tirol, sowie spezielle Sozialversicherungsanstalten (für gewerbliche Wirtschaft, Bauern, Beschäftigte im Eisenbahn- und Bergbaubereich bzw. öffentlich Bedienstete) bieten Ergotherapie als Vertragsleistung an. Wenn Sie einen Vertragstherapeuten aufsuchen, ist die Behandlung kostenlos. Bei Wahltherapeuten ist ein Selbstbehalt zu zahlen. Die öffentlichen Krankenkassen in Wien und im Burgenland bieten ein Kontingent an sogenannten Poolstunden bei bestimmten Ergotherapeuten an. Wenn Sie keinen Anspruch auf kassenfinanzierte Poolstunden haben, gilt dieselbe Regelung wie bei Gebietskrankenkassen ohne Vertrag mit Ergotherapeuten.
- Ergotherapie: Grundlagen und Techniken, W. Presber, W. de Nève, Ullstein Mosby, 4. Auflage, Berlin/Wiesbaden, 2003
- Ergotherapie Austria - Bundesverband der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten Österreichs (02.01.2017)
- Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) (02.01.2017)