Das Tourette-Syndrom sorgt aufgrund seiner auffälligen Symptome bei vielen Außenstehenden für Unverständnis und Bestürzung. Vor allem die Betroffenen selbst leiden unter ihren Tics. Wie die Erkrankung entsteht, ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Eine Heilung ist aktuell noch nicht möglich, allerdings kann durch entsprechende Therapie die Ausprägung der Tics reduziert werden. Benannt wurde die Erkrankung nach dem französischen Neurologen Georges Gilles de la Tourette.
Genaue Zahlen der Tourette-Patienten sind nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 50 von 100.000 Menschen betroffen sind. Demnach gäbe es in Österreich rund 3.500 Menschen mit Tourette-Syndrom. Bei Männern tritt die Erkrankung etwa dreimal so häufig auf wie bei Frauen.
Die genauen Ursachen des Tourette-Syndroms sind bislang noch nicht geklärt. Genetische Veränderungen und Umweltbedingungen führen zu neurobiologischen Veränderungen des sensomotorischen Regulationssystems (Zusammenspiels von Sinnesorganen und Muskeln) im Gehirn. Dies betrifft vor allem den Neurotransmitter (bestimmter Botenstoff der Nervenzellen) Dopamin. Nachdem dem Tourette-Syndrom eine genetische Komponente zugrundeliegt, liegt bei familiärer Vorbelastung das Risiko zu erkranken bei etwa 10 - 20 %.
Gekennzeichnet ist das Tourette-Syndrom durch das plötzliche Auftreten unwillkürlicher, sich wiederholender, nicht rhythmischer Bewegungen verschiedener Muskelgruppen. Diese äußern sich durch motorische oder vokale Tics, also durch unkontrollierte Muskelzuckungen und Lautäußerungen. Diese Tics werden in einfach und komplex unterteilt.
- Einfache motorische Tics
Blinzeln, Mund- oder Schulterzuckungen, Naserümpfen, jähe Hand- oder Fußbewegungen. - Komplexe motorische Tics
Grimassenschneiden, Berühren von Personen oder Gegenständen, Springen oder Körperverdrehungen. - Einfache vokale Tics
Ausstoßen von bedeutungslosen Lauten, Hüsteln, Räuspern oder das Imitieren von Tiergeräuschen. - Komplexe vokale Tics
Wiederholen von gerade gehörten oder selbst gesprochenen Worten (Echolalie/Palilalie), Ausrufen obszöner Worte (Koprolalie).
Viele Betroffene neigen auch zu bestimmten Ritualen. Das kann sich beispielsweise durch häufiges Wiederholen von Redewendungen oder Zahlenreihen ausdrücken, bis sich diese aus Sicht der Patienten ganz richtig anhören. Mit dem Tourette-Syndrom gehen häufig noch weitere Verhaltensauffälligkeiten einher, beispielsweise die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Angst- und Zwangsstörungen oder Depressionen.
Trotz der Unwillkürlichkeit der Tics können Tourette-Patienten diese in einem bestimmten Ausmaß kontrollieren und zurückhalten. Besonders bei emotionaler Anspannung nimmt diese Eigenkontrolle jedoch ab. Es gibt verschiedene Ausprägungsformen des Tourette-Syndroms von kaum bemerkbar über deutlich auffällig bis behindernd.
Verlauf
Erste Tics treten im Kindes- und Jugendalter, oft schon im Vorschulalter auf. Häufig nehmen diese in der Pubertät zu, gehen bei den meisten Betroffenen danach aber wieder zurück oder verschwinden bei manchen sogar ganz.
Die Diagnostik einer Tic-Störung erfolgt anhand einer detaillierten Anamnese sowie einer neurologischen und psychiatrischen Untersuchung. Wichtig ist dabei, andere psychiatrische und neurologische Erkrankungen abzugrenzen. Die Ausprägung der Tics wird mit standardisierten Protokollen erhoben. Ergänzend kann auch eine EEG Untersuchung (Elektroenzephalografie) zum Ausschluss von epileptischen Anfällen durchgeführt werden.
Eine Behandlungsform für eine völlige Heilung der Erkrankung gibt es bislang nicht. Allerdings kann mittels Verhaltenstherapie die Intensität der Tic-Symptomatik reduziert werden. Tourette-Patienten berichten häufig von einem sogenannten Vorgefühl, das den Tics vorausgeht. Das macht man sich etwa beim Habit-Reversal-Training zunutze. Man will damit eine Reaktionsumkehr erreichen, mit dem Ziel, die automatisierte Gewohnheit zu ändern. Die Betroffenen sollen erlernen, den sich ankündigenden Tic durch eine andere Bewegung zu ersetzen.
Falls bei schweren Verläufen eine medikamentöse Therapie erforderlich ist, werden meist Neuroleptika eingesetzt, um die Beschwerden zu lindern. Je nach Vorliegen von Begleiterkrankungen können auch andere Medikamente, wie Antidepressiva oder muskelentspannende Präparate, zu einer Verbesserung der Symptomatik beitragen.