Heißhunger

Regelmäßige Mahlzeiten können das Auftreten plötzlichen Heißhungers unterbinden.
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Wer Heißhunger hat, verspürt das starke Bedürfnis, möglichst schnell etwas zu essen. Meist wird mehr gegessen als notwendig wäre. Ursachen dafür gibt es viele.

Medizinische Expertise

Marlies Gruber

Mag.a Dr.in rer. nat. Marlies Gruber

Ernährungswissenschafterin und Geschäftsführerin des forum. ernährung heute
Schwarzenbergplatz 6, 1030 Wien
www.forum-ernaehrung.at
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Typisch für Heißhungerattacken ist das plötzlich auftretende Verlangen nach Nahrungsaufnahme. Häufig sehnt sich die Betroffen:e dabei nach kalorienreichen Nahrungsmitteln. Regelmäßige Nahrungsaufnahme und eine ausgewogene Ernährung, die alle Nährstoffe sowie Lebensmittelgruppen beinhaltet, werden als Vorbeugung empfohlen.

Heißhunger kann psychisch oder physisch bedingt sein. Tritt der Heißhunger gelegentlich auf, liegt das in den meisten Fällen an einer Unterzuckerung, wenn beispielsweise aufgrund von Stress auf das Essen vergessen wurde. Kommt der Heißhunger regelmäßig und in Kombination mit suchtartigen Verhaltensweisen – z. B. Binge Eating, Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brechsucht) –, ist eine psychotherapeutische Behandlung notwendig.

  • Heißhunger kann entstehen, wenn der Blutzuckerspiegel ungewöhnlichen Schwankungen ausgesetzt ist.
  • Regelmäßige Mahlzeiten sowie eine vielfältige und abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl helfen, Heißhungerattacken vorzubeugen.
  • Heißhunger kann auch ein Warnsignal für bestimmte Erkrankungen sein.
  • Liegt eine körperliche oder psychische Erkrankung vor oder haben sich bereits bestimmte Verhaltensweisen etabliert, helfen Expert:innen wie etwa Psychotherapeut:innen, Mediziner:innen oder Diätolog:innen.
Art Hunger-Sättigungsregulation
Ursache Mangelerscheinung, psychische oder physische Faktoren
Symptome großes Verlangen nach Süßem und Deftigem; gelegentliches Überessen ohne Kontrollverlust, ohne Scham oder Schuldgefühle
Diagnose Anamnese
Behandlung je nach Ursache Ernährungsberatung, Behandlung der körperlichen Erkrankung oder psychotherapeutische Therapie

Das Hungergefühl wird in Teilen des Hypothalamus gesteuert. Doch während "normaler" Hunger sich langsam aufbaut, löst eine Heißhungerattacke den Drang aus, sofort etwas essen zu müssen.

Das Verlangen nach schneller Energiezufuhr kann u.a. nach Diäten oder bei Stress steigen. Bevorzugt werden dann schnell verfügbare, meist kalorienreiche Lebensmittel wie Süßes, Fastfood und fettreiche Snacks.

Die Entstehung von Hunger sowie das Eintreten eines Sättigungsgefühls basiert auf einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Regulationsmechanismen aus dem Gehirn (Hungerzentrum im Hypothalamus, Medulla oblongata), Hormonen (z. B. Orexin, Ghrelin, Leptin, Insulin) sowie chemischen und mechanischen Reizen in Magen und Dünndarm.

Wenn nicht auf psychischen Faktoren beruhend, kann Heißhunger beispielsweise über folgenden Mechanismus entstehen:

  • Nahrung wird aufgenommen: Nach einer Mahlzeit gelangt Glukose (Traubenzucker) in die Blutbahn – der Blutzuckerspiegel (Blutglukosespiegel) steigt. Wird vor allem Süßes pur, ohne Fett und Eiweiß, aufgenommen, steigt er rasant an. Der Blutzuckerspiegel ist maßgeblich an der Regulierung von Hunger und damit auch an der Entstehung von Heißhunger beteiligt.
  • Produktion von Insulin: Die Bauchspeicheldrüse schüttet das Hormon Insulin aus, damit Glukose in die Körperzellen transportiert und zu Energie umgewandelt werden kann. Folglich sinkt der Blutzuckerspiegel. Idealerweise sollte dieser relativ konstant bleiben, damit die Organe optimal funktionieren können.
  • Heißhunger-Kreislauf entsteht: Durch die Aufnahme von einfachen Kohlenhydraten steigt der Blutzuckerspiegel stark an. In weiterer Folge wird vermehrt Insulin gebildet, wodurch er rapide absinkt. Das Gehirn ist alarmiert und fordert Nachschub – ein Kreislauf entsteht.

Um Blutzuckerschwankungen und großen Hunger bei langen Pausen zwischen den Mahlzeiten zu vermeiden, hilft es, zu Vollkornprodukten, Gemüse und Obst zu greifen, auch zwischendurch. Diese bestehen aus komplexen Kohlenhydraten, wodurch der Prozess der Energieumwandlung länger dauert. Die Kombination mit Fettquellen (z. B. Nüsse) und eiweißreichen Lebensmitteln (z. B. Joghurt, Topfen, Käse) verlangsamen die Verdauung zusätzlich. Der Blutzuckerspiegel bleibt stabiler und das Sättigungsgefühl hält länger an.

Mit einer Heißhungerattacke können folgende Begleiterscheinungen einhergehen:

  • Zittern
  • Schweiß
  • Kältegefühl
  • Müdigkeit
  • Unkonzentriertheit, Leistungsabfall
  • Kopfschmerzen
  • Magen-Darm-Beschwerden

Heißhunger kann harmlose Ursachen haben, aber auch auf Erkrankungen hinweisen. Es gibt viele Gründe, weshalb der Körper möglichst schnell nach Energie verlangt.

Mögliche allgemeine Faktoren, die eine gelegentliche Heißhungerattacke auslösen können, sind:

  • Nährstoff- oder Energiemangel durch Diät oder falsche Ernährungsgewohnheiten
  • Stress, Überforderung
  • Langeweile
  • erlerntes Verhalten, z. B. Essen in bestimmten Situationen wie etwa beim Fernsehen
  • übermäßige körperliche oder geistige Anstrengung
  • Periode, PMS, Schwangerschaft, Stillzeit
  • Wachstumsphasen bei Kindern und Jugendlichen
  • Schlafmangel

Mögliche psychische Ursachen für Heißhunger sind:

  • seelische Belastungen
  • Dauerstress
  • Depression
  • Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Binge Eating, Adipositas)

Mögliche körperliche Erkrankungen, die Heißhunger auslösen können, sind:

Mögliche andere Ursachen für ausgeprägten Appetit oder Heißhunger sind:

Im Gegensatz zu einem in unregelmäßigen Abständen auftretenden Heißhunger handelt es sich bei Binge Eating um eine psychisch bedingte Essstörung, bei der innerhalb kürzester Zeit über das "normale" Ausmaß hinausgehende Mengen an Nahrungsmitteln aufgenommen werden, auch wenn kein Hungergefühl auftritt. Bei den regelmäßig auftretenden Essanfällen kommt es zu Kontrollverlust.

Ein wesentlicher Unterschied zu Heißhunger sind auch Schuldgefühle und Scham, die mit den Essanfällen einhergehen.

Folgende Tipps können Heißhunger vorbeugen:

  • ausgewogene Ernährung & regelmäßige Mahlzeiten: Setzen Sie auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung und regelmäßige Mahlzeiten, die ein passendes Verhältnis von ballaststoffreichen Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß beinhalten. Vollkorngetreide, Obst, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte halten den Blutzuckerspiegel konstanter als Weißmehlprodukte und Süßes. Trinken Sie darüber hinaus täglich ausreichend Wasser oder andere kalorienfreie Getränke.
  • Naschen in Maßen: Genießen Sie Süßes und Snacks bewusst und in Maßen. Sie lassen den Blutzuckerspiegel besonders schnell ansteigen. Vermeiden Sie Restriktionsdiäten, selbstauferlegte Verbote und starre Lebensmittelvorschriften. Sie erhöhen das Risiko für Heißhungeranfälle, die Entwicklung einer Essstörung sowie Körperschemastörung.
    Achtsam essen: Genießen Sie Ihre Mahlzeiten bewusst und ohne Ablenkung (Smartphone, TV, …).
  • langsames Essen: Die Verdauung beginnt im Mund. Kauen Sie öfter, um die Speichelproduktion anzuregen. Langsames Essen hilft, das Sättigungsgefühl wahrzunehmen, da es meist erst nach 15 Minuten eintritt.
  • gesunder Lebensstil: Ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung sorgen für innere Ausgeglichenheit und halten fit. Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training helfen zusätzlich dabei, Stress abzubauen.

Wenn Sie trotz regelmäßiger und ausreichender Nahrungszufuhr ständig Hunger oder Heißhunger haben, sollten Sie zur Abklärung eine Ärzt:in aufsuchen. Auch wenn Sie das Gefühl haben, dass die Heißhungerattacken mit psychischen Auslösern wie Stress, einer Essstörung oder einer Depression in Zusammenhang stehen könnten, sollten Sie sich professionelle Unterstützung holen.

Die Hausärzt:in kann eine erste Ansprechpartner:in sein, welche entsprechende Untersuchungen einleiten und je nach Ursache an Expert:innen verweisen wird. So kann etwa ein Team aus medizinischem und diätologischem Fachpersonal Hilfestellung geben. Insbesondere wenn es Anzeichen für eine Essstörung gibt, kann psychiatrische oder psychotherapeutische Beratung weiterhelfen.


Autor:innen:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Erstellt am:

5. April 2023

Stand der medizinischen Information:

5. April 2023

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