Menschen mit einer Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) hören genauso gut wie ein Normalhörender, die akustischen Signale werden jedoch nicht korrekt vom Gehirn verarbeitet. Das liegt an einer Störung der zentralen Prozesse des Hörens.
Schätzungen zufolge haben etwa 2 bis 3 % der Kinder eine AVWS, wobei Buben etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen.
Welche Ursachen einer AVWS zugrunde liegen ist bislang nicht genau geklärt. Fest steht, dass sie nicht im Hörorgan selbst liegen. Als medizinische Risikofaktoren für AVWS gelten beispielsweise genetische oder neurologische Ursachen – Hirnschäden oder Verzögerungen der Hirnreifung im frühen Kindesalter, häufige oder lang andauernde Mittelohrentzündungen. Auch Umwelteinflüsse können das Risiko für eine AVWS erhöhen. Das kann beispielsweise eine mangelnde Kommunikation mit dem Kind sein oder ein vermehrter Medienkonsum.
Hinweise für eine AVWS:
- verzögerte Sprachentwicklung bei Kindern
- empfindliche Reaktion auf schrille Geräusche und eine laute Umgebung
- Gespräche in einer geräuschvollen Umgebung werden nur schwer oder gar nicht verstanden
- Reduzierte Merkspanne von Gehörtem
- Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von ähnlich klingenden Wörtern und Buchstaben z. B. dem und den
- Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten
- Richtung und Entfernung von Geräuschen werden nicht richtig erkannt
Die Diagnose einer AVWS erfordert zunächst den Ausschluss einer Hörstörung mittels ausführlicher audiologischer Testung. Die Intelligenz und die Aufmerksamkeitsleistung müssen ebenfalls unauffällig sein. Die zwei gängigsten Screeningverfahren, um eine AVWS festzustellen, sind der Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD) und der Münchner Auditive Screeningtest für Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (MAUS). Der Maus-Test setzt sich aus den Teilbereichen Silbenfolgen, Wörter im Störgeräusch sowie Lautdifferenzierung und Lautidentifikation zusammen. Beim H-LAD wird ergänzend zur Lautdifferenzierung die Lautanalyse geprüft. Eine normierte Testauswertung ist bei beiden Screeningvarianten nur zwischen dem 5. und 11. Lebensjahr möglich.
Grundsätzlich gilt AVWS als nicht heilbar, aber mit entsprechenden Übungen als gut behandelbar. Eine frühzeitige Förderung ist wesentlich, um negativen Folgen, wie z. B. einer Lese-Rechtschreibschwäche entgegenzuwirken. Im Rahmen einer logopädischen Therapie werden die auffälligen Teilbereiche auch mit Hilfe von Computerprogrammen trainiert. Technische Hilfsmittel, wie eine FM-Anlage (drahtlose Signalübertragungsanlagen, die Signale mit frequenzmodulierten Funksignalen übertragen), können die Einschränkungen im Schulalltag zusätzlich verbessern.
- Interview mit OA Dr. Thomas Rasse vom 26.02.2019