6 Vorurteile gegen Kohlenhydrate

Kohlenhydrathältige Produkte, wie Brot, Nudeln, Müsli
Vollkornbrot, Müsli, Nudeln, Obst und Gemüse sind bevorzugte Kohlenhydratquellen.
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Sie belasten die Verdauung, verursachen Krankheiten, irritieren das Hautbild, lassen schneller altern und machen außerdem auch noch dick: Kohlenhydrate hatten lange Zeit kein gutes Image. 

Medizinische Expertise

Andrea Färbinger

Mag.a Andrea Färbinger

Expertin für Ernährungswissenschaften
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Empfehlungen der Ernährungswissenschaft zufolge ist es Zeit, den wichtigen Nahrungsbaustein zu rehabilitieren, denn Kohlenhydrate sind für viele unserer Körperfunktionen unverzichtbar. So etwa funktionieren Gehirn und Darm nur reibungslos, wenn dem Körper das Kohlenhydrat Glucose ausreichend zugeführt werden.

  • Kohlenhydrate sind für viele unserer Körperfunktionen unverzichtbar. Sie haben wichtige Funktionen für Gehirn und Darm.
  • Es gibt Kohlenhydrate, die wesentlich länger satt machen und einen hohen Ballaststoffgehalt haben, wie etwa Kartoffeln.
  • Vermeiden sollte man hingegen Kohlenhydrate, die "schnelle Energie" liefern und sehr viel Insulin ausschütten.
  • Eine ballaststoffreiche Ernährung ist gesund, fördert die Verdauung und schützt vor Bluthochdruck.

Dieses Vorurteil hat sich dank vieler "Fachleute" hartnäckig in den Köpfen verankert. All diese Mythen entbehren jedoch jeglicher wissenschaftlicher Grundlagen, denn Kohlenhydrate halten viele unserer Körperfunktionen aufrecht. So etwa kann das Gehirn nur funktionieren, wenn ausreichend Glucose im Körper ist, aus dem die Energie für die Versorgung bezogen wird. Aus Glucose können andere Organe, wie etwa die Leber oder auch die Muskeln Energie bilden, aber auch aus Fettsäuren. Aus Kohlenhydraten und Aminosäuren wiederum können lebenswichtige Fettsäuren gebildet werden.

Stimmt nicht, denn es gibt gute und schlechte Kohlenhydrate. Je nachdem aus wie vielen Molekülen eine Zuckerkette gebildet wird, unterscheidet man zwischen weniger gutem Einfachzucker (Monosaccharide), vor allem in Süßspeisen, Kuchen, Torten oder Schokolade. Sie gehen sofort ins Blut und liefern "schnelle Energie", es muss dazu jedoch auch verstärkt Insulin produziert werden. Ihr Nachteil: das Sättigungsgefühl hält nur kurz an, man wird rasch wieder hungrig. Zweifachzucker (z.B. in Honig und Süßigkeiten enthalten) haben ähnliche Eigenschaften. Vielfachzucker hingegen (enthalten in Getreide, Kartoffeln oder unpoliertem Reis) werden im Organismus erst langsam gespaltet und freigesetzt. Eine Insulinausschüttung erfolgt daher nicht so abrupt, das wirkt sich auf den Blutzuckerspiegel günstig aus, denn er steigt nur langsam an. Das Sättigungsgefühl hält wesentlich länger an. Ein weiterer Vorzug ist der hohe Vitamin-, Ballast- und Mineralstoffgehalt der genannten Lebensmittel, denn dadurch schützen sie vor Erkrankungen wie Darmkrebs, Diabetes, Arteriosklerose oder Fettleibigkeit (Adipositas).

Wahr ist vielmehr, dass ein Verzicht auf Kohlenhydrate ein großes Gesundheitsrisiko darstellt. "Low Carb"- Diäten wie Hollywood-, Mayo- oder Atkinsdiät. Der Haken daran: Die fehlenden Kohlenhydrate werden mit der Zufuhr von Fett und Eiweiß ausgeglichen. Doch gerade ein Zuviel an Eiweiß ist für Betroffene mit Nieren- oder Leberproblemen bedenklich. Ursache dafür: Der Körper baut die in Eiweiß enthaltenen Aminosäuren zu Harnstoff ab. Bei einer zu hohen Proteinaufnahme kann das Abbauprodukt nicht mehr aus dem Blut gefiltert und mit dem Urin abtransportiert werden - es kommt zur Überlastung der Nieren.


Auch Obst und Gemüse enthalten Kohlenhydrate und sind im Rahmen der genannten Diäten ein "No-Go". Einseitige und vitaminarme Ernährung aber ist die Ursache vieler Erkrankungen. Darüber hinaus kann eine kohlenhydratarme Ernährung Herzerkrankungen begünstigen. Erklärbar ist das mit dem Anstieg des Homocysteins im Blut, einem Risikofaktor für Herzkreislauf-Erkrankungen.

Auch das ist ein Mythos, der darauf beruht, dass der Insulinspiegel im Blut nach dem Genuss kohlenhydratreicher Nahrungsmittel ansteigt. Wahr ist vielmehr, dass die Verdauung selbst nachts nicht "schläft", sondern hochaktiv arbeitet. Der Parasympathikus, der Teil unseres Nervensystems, der eine dämpfende und beruhigende Wirkung hat , sorgt dafür dass alle lebensnotwendigen Vorgänge der inneren Organe nachts aufrecht bleiben. Anhänger der französischen, spanischen oder italienischen Lebenskultur werden zustimmen: in vielen Ländern wird oft spätabends gegessen und dennoch bleiben die Menschen schlank. Letztendlich entscheidet die tatsächliche Energiebilanz am Ende des Tages über Zu- oder Abnahme.

Die in vielen Kohlenhydraten reichlich enthaltenen Ballaststoffe (unverdauliche Nahrungsreste) können im Dünndarm nicht verdaut werden und gelangen in den Dickdarm. Dort werden sie von der Darm-Bakterienflora zersetzt, zurück bleiben beispielsweise unverdauliches Lignin oder Zellulose. Diese Ballaststoffe sind wichtig, um die Verdauung in Schwung zu halten. Im Darm quellen die Stoffe auf und regen die Verdauungstätigkeit an. Bekommt der Darm zu wenig kohlenhydrat- und damit ballaststoffarme Nahrungsmittel zugeführt, wird er rasch träge, die Verdauung funktioniert nicht mehr. Eine ausreichende Versorgung mit Ballaststoffen schützt vor Bluthochdruck, koronaren Herzerkrankungen, Übergewicht und Darmkrebs und senkt das ungünstige LDL- Cholesterin.

Stimmt nicht, denn aktuelle Studien zeigen, dass weder Zucker noch Stärke die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördern. Allein die Auswahl der Kohlenhydratqualität ist maßgeblich. Gemessen wird diese Qualität mithilfe des Glykämischen Index. Er gibt an, in welchem Ausmaß ein Lebensmittel das Ansteigen des Blutzuckerspiegels beeinflusst. Obst, Vollkornbrot, Müsli, Nudeln und Gemüse sind daher bevorzugte Kohlenhydratquellen. Auch ein Verzicht auf zuckergesüßte Getränke senkt das Risiko für Diabetes Typ 2. Diabetes Typ 2 ist vor allem auf eine zu hohe Fettzufuhr und Bewegungsmangel zurückzuführen.


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Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

10. Mai 2023

Erstellt am:

9. Januar 2017

Stand der medizinischen Information:

13. Februar 2019

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