Depressionen und andere psychische Erkrankungen haben statistisch gesehen in den letzten Jahren stark zugenommen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Aus Sicht mancher Expert:innen würden nicht zuletzt die hohen Anforderungen am Arbeitsmarkt viele Betroffene seelisch überfordern. Sicher ist allerdings, dass sich vor allem die Haltung gegenüber psychischen Problemen zuletzt geändert hat. Mit dem gesteigerten Verständnis geht naturgemäß auch eine höhere Anzahl an Diagnosen einher.
Wie heimtückisch die Krankheit sein kann, zeigt nicht zuletzt die sogenannte "smiling depression". Im englischen Sprachraum wird damit eine spezielle Form bezeichnet, bei der man seine Erkrankung erfolgreich hinter einer Fassade versteckt. Die Betroffen:e geht oft einem geregelten beruflichen Leben nach, ist in vielen Fällen in einer Partnerschaft und vermittelt in Gesprächen einen seelisch gesunden Eindruck. Im Alltag kann die betroffene Person die Traurigkeit so gut überspielen, dass selbst enge Freund:innen nichts davon ahnen.
Video: Unterschied von Depression und Trauer sowie geschlechtsspezifische Fakten zu Depression – LGBTIQA*
Psychotherapeut Mag. pth. Bernhard Gracner, MSc erklärt den Unterschied zwischen Depression und Trauer. Außerdem geht er auf die geschlechtsspezifischen Eigenschaften der Krankheit und ihre Besonderheit im LGBTIQA*-Kontext ein. (Webinar, 3.7.2023)
In der Psychologie ist dieser Begriff noch nicht etabliert. Die Bezeichnung "atypische Depression" umfasst allerdings im Wesentlichen die selbe Symptomatik. Zwischen 15 und 40 % der depressiv erkrankten Menschen sind Schätzungen zufolge von dieser Form betroffen. Aufgrund ihres funktionalen Lebensstils realisieren viele lange das Ausmaß ihrer Probleme nicht. Umso wichtiger ist es, auf die häufigsten Symptome einer atypischen Depression zu achten:
- starke Traurigkeit tritt vor allem abends auf
- Schweregefühl in den Armen und Beinen
- Überempfindlichkeit gegenüber Kritik
- positive Erlebnisse sorgen für einen kurzen Stimmungsaufschwung, der aber schnell wieder vergeht
- regelmäßiges Überessen
- Verlangen nach mehr Schlaf als üblich
Besonders besorgniserregend ist die bei dieser Form vergleichsweise hohe Suizidgefahr. Anders als Betroffene einer "normalen" Depression, haben atypisch Depressive eher die Energie, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Schwierig gestaltet sich zudem die bei psychischen Krankheiten so entscheidende Rolle des Umfelds. Da die Erkrankung selbst für Nahestehende kaum zu erkennen ist, wird wesentlich seltener Hilfe angeboten.
Video: Depression: Mehr als nur Traurigkeit und schlechte Laune
Wie kann eine psychische Erkrankung von Traurigkeit oder schlechter Laune unterschieden werden? Psychotherapeut Dr. Mag. pth. Bernhard Gracner beantwortet die wichtigsten Fragen zur Depression. (Webinar, 22.05.2023)
Anders als bei vielen physischen Erkrankungen ist die erfolgreiche Behandlung einer Depression sehr stark von der erkrankten Person abhängig. Wie schwierig die Situation auch sein mag, hoffnungslos ist sie nie. Ein erster wichtiger Schritt ist es, über die "smiling depression" Bescheid zu wissen und nicht das Gefühl abzulegen, sich für seine Traurigkeit schämen zu müssen.
Zum Erfolg kann eine Psychotherapie beitragen, oftmals in Kombination mit Antidepressiva. Auch im Alltag bieten sich der Patient:in Möglichkeiten zur Verbesserung der Symptomatik. Studien belegen etwa den extrem positiven Einfluss von Sport. Manche Sportarten wie Yoga erzielen besonders gute Ergebnisse, prinzipiell ist aber jede Art von regelmäßiger Bewegung förderlich für die psychische Gesundheit. Professionelle Meditation kann bei Betroffenen ebenfalls einen hilfreichen Ausgleich darstellen.
Besonders wesentlich dürfte außerdem eine Zielsetzung im Leben sein, ganz gleich wie diese aussieht. Ein spannungsfreier Zustand ohne Verantwortung und Herausforderungen ist tendenziell nicht erstrebenswert. Insbesondere Menschen, die zu depressiven Stimmungen neigen, brauchen das Gefühl, dass ihr Leben einen Sinn hat. Eine entsprechende Zielsetzung kann beruflicher Natur sein, aber auch Freiwilligenarbeit oder das Kümmern um einen pflegebedürftigen Mitmenschen sind Optionen.