In einer Patientenverfügung können bestimmte oder auch sämtliche medizinische Maßnahmen (Behandlungen, Operationen, Medikamente, künstliche Ernährung oder Beatmung, Verabreichung von Blutkonserven etc.) abgelehnt werden. Unterschieden wird zwischen verbindlichen und beachtlichen Patientenverfügungen. Egal um welche es sich handelt: Sie sollte immer bei sich geführt werden, denn im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht gibt es kein zentrales Register.
Die meisten Menschen wünschen sich ein langes, gesundes Leben und im hohen Alter einen schnellen, schmerzfreien Tod. In vielen Fällen wird dieser Wunsch allerdings nicht Realität, ganz im Gegenteil kann das Alter auch gekennzeichnet sein von Krankheiten mit langem Verlauf wie Demenz oder den Folgeerscheinungen eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts. Mit einer Patientenverfügung kann eine Person festlegen, welche medizinischen Maßnahmen sie ablehnt, für den Fall, dass sie dann nicht mehr ansprechbar oder entscheidungsfähig ist.
Ganz generell müssen für die Durchführung einer medizinischen Behandlung zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Behandlung muss medizinisch notwendig sein (Ausnahme Schönheitsoperationen) und der Patient muss in die Behandlung einwilligen. Letzteres wird im Notfall nicht immer sicherzustellen sein, daher darf der Arzt wenn es anders nicht möglich ist, auch ohne Einwilligung des Patienten behandeln. Wer das nicht will, kann lebensverlängernde Maßnahmen im Vorfeld mit einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht ablehnen. Eine Vorsorgevollmacht ermöglicht es, eine Person zu bestimmen, die Entscheidungen für einen trifft, wenn man es selbst nicht mehr kann.
Eine Patientenverfügung kommt dann zum Tragen, wenn der Patient selbst nicht mehr entscheiden kann. Das ist z.B. bei einer schweren Demenz oder bei Komapatienten der Fall. Es können alle medizinischen Maßnahmen abgelehnt werden, mit Ausnahme von Pflegemaßnahmen.
Folgende lebensverlängernde Maßnahmen können beispielsweise abgelehnt werden:
- künstliche Ernährung bzw. Flüssigkeitszufuhr (PEG-Sonde)
- künstliche Beatmung
- Reanimation
- Verabreichung von Herz-Kreislauf-Medikamenten
- Dialyse
- Behandlung einer Lungenentzündung mit Antibiotika
- Operationen
Aus einer Patientenverfügung sollte auch klar hervorgehen, aus welchen Gründen eine medizinische Maßnahme abgelehnt wird. So wird es dem Arzt erleichtert, den Willen des Patienten zu erkennen. Es gibt 2 Arten der Patientenverfügung: die verbindliche und die beachtliche.
Liegt eine verbindliche Patientenverfügung vor, muss der Arzt sich an die Ablehnung halten, sonst macht er sich strafbar. Die beachtliche Patientenverfügung ist eine wichtige Orientierungshilfe für den Arzt. Geht aus der beachtlichen Patientenverfügung allerdings so klar hervor, dass sie dem Willen des Patienten entspricht, ist der Arzt auch daran gebunden und wird dem Willen des Patienten entsprechen.
Ärzte sind verpflichtet, sich an eine verbindliche Patientenverfügung zu halten. Die Errichtung einer solchen ist allerdings aufwendiger, als die Errichtung einer beachtlichen.
Für die verbindliche Patientenverfügung sind folgende Dinge notwendig:
- Ärztliche Aufklärung
- Errichtung vor Notar, Rechtsanwalt oder Patientenanwalt
- Person muss bei Erstellung einsichts- und urteilsfähig sein
- Gilt nur 5 Jahre
Ärztliches Aufklärungsgespräch
Dieses Gespräch kann grundsätzlich bei jedem Arzt stattfinden, auch beim Hausarzt. Zentral in diesem Gespräch ist dem Patienten zu vermitteln, welche Folgen es hat, gewisse Maßnahmen abzulehnen. Das ärztliche Aufklärungsgespräch nimmt mindestens 1 Stunde in Anspruch, daher ist es empfehlenswert, einen Termin mit dem Arzt zu vereinbaren.
Notar, Rechtsanwalt oder Patientenanwalt
Eine verbindliche Patientenverfügung muss vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem Patientenanwalt errichtet werden.
Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten
Eine Patientenverfügung kann jeder machen, unabhängig vom Alter. Voraussetzung ist, dass ein Arzt die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten feststellt. Im Zweifelsfall wird ein Psychiater hinzugezogen.
Ist dem Arzt bekannt, dass ein Patient eine verbindliche Patientenverfügung errichtet hat, muss sich der Arzt daran halten. Ärzte sind nicht verpflichtet im
- Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte oder im
- Patientenverfügungsregister der Notariatskammer, wo verbindliche Patientenverfügungen eingetragen werden können, nachzuschauen, ob der Patient eine Patientenverfügung hat.
Wird nach einer Behandlung bekannt, dass der Patient eine verbindliche Patientenverfügung errichtet hat, in der er die durchgeführte Maßnahme abgelehnt hat, muss die Behandlung eingestellt werden. Frau Dr. Maria Kletecka-Pulker vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin an der Universität Wien, nennt zur Verdeutlichung ein Beispiel: "Wenn ein Patient wiederbelebt und anschließend künstlich beatmet wird, so muss die künstliche Beatmung eingestellt werden, wenn er diese Maßnahmen in einer verbindlichen Patientenverfügung abgelehnt hat."
Ein Nachteil der verbindlichen Patientenverfügung ist, dass sie nur 5 Jahre lang gültig ist. Danach muss der ganze Errichtungsprozess wiederholt werden. Man will, dass Personen sich immer wieder mit dem Thema auseinandersetzen und prüfen, ob die Patientenverfügung auch nach 5 Jahren noch ihrem Willen entspricht. In 5 Jahren können doch wesentliche Änderungen in einem Leben passieren und unter Umständen hat sich die Medizin wesentlich weiterentwickelt, sodass man nun anders entscheidet. Wird die Patientenverfügung nicht erneuert, wird sie automatisch zu einer beachtlichen Patientenverfügung.
Die Regelung, dass die verbindliche Patientenverfügung nach 5 Jahren ihre Gültigkeit verliert, gilt allerdings nur für den Fall, wenn die Person immer noch einsichts- und urteilsfähig ist. Errichtet eine Person eine Patientenverfügung und ist aufgrund einer Krankheit oder Unfall nach 2 Jahren nicht ansprechbar, dann gilt die Patientenverfügung ohne zeitliche Grenze. Lediglich in dem Fall, wenn sich der Stand der Wissenschaft wesentlich verändert hat und man davon ausgeht, dass der Patient sich daher anders entschieden hätte, können die Ärzte dann von der Patientenverfügung abgehen.
Eine verbindliche Patientenverfügung eignet sich besonders für Menschen, die eine konkrete Maßnahme z.B. aus religiösen Gründen ablehnen. Aber auch ein psychisch erkrankter Mensch, der bei seinem nächsten Schub bestimmte Psychopharmaka aufgrund starker Nebenwirkungen nicht verabreicht bekommen möchte, kann genau das verfügen. In einer verbindlichen Patientenverfügung müssen die abgelehnten Maßnahmen konkret beschrieben sein bzw. eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang hervorgehen.
Sowohl die Kosten für das ärztliche Aufklärungsgespräch, als auch die Kosten für Rechtsanwalt und Notar müssen vom Patienten selbst übernommen werden. Es gibt keine Zuschüsse durch die Krankenkasse. Fixen Kostensatz gibt es keinen. Die tatsächlichen Kosten richten sich nach der Dauer des Gesprächs. In jedem Fall sollten Sie vorher mit Ihrem Arzt über das Honorar sprechen.
Neben den Kosten für das ärztliche Aufklärungsgespräch fallen auch noch Kosten für den Notar oder den Rechtsanwalt an.
Der Besuch bei einem Patientenanwalt ist kostenlos, allerdings muss man selbst zum Patientenanwalt kommen, er kommt nicht zu Patienten nach Hause oder in Krankenanstalten. Bei chronisch-kranken Menschen und Palliativpatienten ist ein solches ärztliches Aufklärungsgespräch allerdings meist ohnehin Teil der Behandlung und wird nicht extra verrechnet.
Für die Erstellung einer beachtlichen Patientenverfügung gibt es keine Formvorschriften. Alle jene Patientenverfügungen, die nicht die Kriterien einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllen, sind beachtliche Patientenverfügungen. Weder ein Arzt, noch ein Anwalt oder ein Notar sind dafür nötig. "Wenn eine beachtliche Patientenverfügung gut formuliert ist, kann sie viel bringen" erklärt Frau Dr. Maria Kletecka-Pulker. Im Prinzip kann es reichen auf ein Blatt Papier die medizinischen Behandlungen zu schreiben, die man ablehnt in welchen Situationen mit Datum und Unterschrift zu versehen und dem Arzt zu übergeben. Ganz wichtig ist immer das Gespräch mit einem Arzt seines Vertrauens.
Als Vorlage kann aber auch das Formular auf der Website des Patientenanwalts dienen. Dieses Formular wird auch zur Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung verwendet. Ohne Ärztliches Aufklärungsgespräch, Rechtsanwalt, Notar und Patientenanwalt gilt es als beachtliche Patientenverfügung.
Ärzte sind nicht dazu verpflichtet, sich an eine beachtliche Patientenverfügung zu halten. Dennoch wird sie oft berücksichtigt, wenn sie gut formuliert ist und den Willen des Patienten klar wiedergibt. Beachtliche Patientenverfügungen mit Formulierungen wie "Ich will niemals reanimiert werden" können allerdings nicht berücksichtigt werden, da sie zu ungenau sind.
Eine beachtliche Patientenverfügung in Kombination mit einer Vorsorgevollmacht, kann dem Bevollmächtigten im Ernstfall die Entscheidung erleichtern.
Eine Patientenverfügung kann jederzeit vom Patienten selbst widerrufen werden, dann ist sie ungültig. Das gilt auch, wenn der Patient nicht mehr einsichts- oder urteilsfähig ist, er aber ein klares Zeichen setzt, z.B. durch Zerreißen der Patientenverfügung.
Ungültig ist die Patientenverfügung auch, wenn sich die Medizin bei einer abgelehnten Therapie derart weiterentwickelt hat, dass sie nun z.B. nebenwirkungsfrei ist.
Aktive Sterbehilfe ist in Österreich verboten und darf daher in einer Patientenverfügung nicht gefordert werden. Wird dennoch nach aktiver Sterbehilfe verlangt, so ist die Patientenverfügung ungültig.
Ärzte sind nicht verpflichtet, im Ernstfall nach einer Patientenverfügung zu suchen. Anders als bei der Vorsorgevollmacht gibt es kein zentrales Register, in dem Patientenverfügungen eingetragen werden. Um sicherzugehen, dass die Patientenverfügung im Ernstfall beim Arzt ist, sollten Sie sie dem behandelnden Arzt übergeben. Sie kann auch ins Krankenblatt eingelegt werden.
Mit der Einführung von ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) ändert sich das, dann scheinen auch Patientenverfügungen auf.
- Interview mit Dr. iur. Maria Kletecka-Pulker, Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien, am 28.11.2013
- Das österreichische Patientenverfügungsgesetz, Ethische und rechtliche Aspekte, Ulrich H. J. Körtner et al. (Hrsg.), Springerverlag, Wien, 2007
- Patientenverfügung und Selbstbestimmung, Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte zur Erstellung einer Patientenverfügung, Dr. iur. Maria Kletecka-Pulker, Dr. Gerhard Aigner, Bundesministerium für Gesundheit, Wien, 2009
- BM für Gesundheit: Patientenverfügung (29.06.2020)
- vielgesundheit.at – Video Patientenverfügung (29.06.2020)