Das Zahnfleisch erfüllt im menschlichen Gebiss zentrale Aufgaben. Bei Problemen wie etwa dem Rückgang des Zahnfleisches sind moderne Mittel der Zahnheilkunde gefragt. Wir haben uns mit Dr. Michael Müller von der Universitätszahnklinik Wien unterhalten und ihm die wichtigsten Fragen rund um Zahnfleischkorrekturen gestellt.
Dr. Michael Müller: Das Zahnfleisch, auch Gingiva genannt, besteht aus unterschiedlichen anatomischen Strukturen, die den Halt des Zahnes im Kieferknochen gewährleisten und einen Abschluss gegenüber der Mundhöhle mit einem immunologischen Abwehrsystem umfassen. Auf der anderen Seite ist das Zahnfleisch in der ästhetischen Zone wichtig für ein gesundes Lächeln und trägt immens zu den natürlichen Proportionen im Gesicht und zur Rot-Weiß-Ästhetik bei.
Dr. Michael Müller: Die medizinische Notwendigkeit ist nur bei wenigen Veränderungen des Zahnfleisches gegeben. Dies betrifft beispielsweise Zustände, wenn Lippen- oder Wangenbändchen an der falschen Stelle mit dem Zahnfleisch verwachsen sind. Des Weiteren bei fehlender "befestigter" Gingiva – also jenem Teil des Zahnfleisches, der fest mit der knöchernen Basis verwachsen ist – und eingeschränkter Hygienefähigkeit in diesen Arealen. Dünne Schleimhautverhältnisse und eine starke Progression bestehender Zahnfleischrückgänge (Rezessionen) zählen ebenfalls zu den Behandlungsfeldern.
Letztendlich zählt auch der Wunsch des Patienten, aus ästhetischen Gründen eine Zahnfleischkorrektur durchführen zu lassen – dies ist aber immer gesondert und auch gesetzlich nach den Richtlinien der plastischen ästhetischen Chirurgie abzuhandeln.
Dr. Michael Müller: Das Verständnis und auch die Schönheitsideale oder das Streben danach haben sich in den letzten Jahren natürlich verändert. Ein ästhetisches Lächeln hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Somit ist der Wunsch nach Korrektur bei Rezessionen, veränderter Rot-Weiß-Ästhetik und "Gummy Smile", also einer überdurchschnittlichen Sichtbarkeit des Zahnfleisches, gestiegen.
Dr. Michael Müller: Natürlich birgt jeglicher chirurgischer Eingriff Gefahren. Dazu zählen Nachblutungen, abgestorbenes Gewebe und auch die Abstoßung des transplantierten Gewebes oder Ersatzmaterials. Dabei gilt es, die Risiken zu minimieren, indem allgemeinmedizinische gesundheitliche Probleme abgeklärt werden und streng nach den Richtlinien der plastischen Parodontalchirurgie vorgegangen wird. Darüber hinaus sollten ein minimalinvasives Vorgehen, geeignete Instrumente und passendes Nahtmaterial zum Einsatz kommen.
Dr. Michael Müller: Die Techniken haben sich zuletzt wieder weiterentwickelt und verfolgen minimalinvasive Ansätze mit Schonung des Zahnfleisches im Zahnzwischenraum. Zusätzlich gibt es neue erprobte tierische Materialien, die die operative Dauer verkürzen und auch durch Vermeidung zusätzlicher Wunden an der Entnahmestelle eine Heilung unter weniger Schmerzen ermöglichen. Auch an der Universitätszahnklinik beschäftigen wir uns mit dieser Thematik und versuchen neue Standards in der plastischen parodontalen Chirurgie zu etablieren. Studien mit Wachstumsfaktoren werden auch in Zukunft neue Weg beschreiten und den Patientenkomfort noch zusätzlich verbessern.
Dr. Michael Müller: Seitens der Krankenkasse gibt es keine Vergütung für parodontale plastische Eingriffe. Diese Therapien stellen außervertragliche Leistungen dar. Von der Krankenkasse übernommen werden Lippen-/Wangenbändchenkorrekturen. Die Kosten variieren je nach Größe der Rezessionen, die zu behandeln sind, der Technik und den verwendeten Materialien. Aus diesem Grund gibt es keine allgemeingültigen Preise, weil die OP-Notwendigkeit individuell gestellt werden muss. Als Anhaltspunkt muss bei kleinen Eingriffen mit ungefähr 280 € gerechnet werden und einem steigenden Preis bei großen, aufwendigen Eingriffen und multiplen Rezessionen auf bis zu 1.200 €.
- Interview mit Dr. Michael Müller