Tiere dienen immer wieder als Vorbild für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Auch im Bereich der Immunabwehr ist dies der Fall. Univ.-Prof.in Dr.in Erika Jensen-Jarolim, die am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien sowie mit AllergyCare Allergiediagnose in der Privatklinik Döbling tätig ist, und ihre Kollegen führen zurzeit eine Studie an Allergikerinnen durch. Allergiker – vor allem weibliche – weisen nicht nur ein schlechteres Blutbild auf, sondern leiden oft auch an einem funktionellen Eisenmangel.
Klar ist bereits, dass der Transport von Vitaminen und Eisen in den Körper das Immunsystem stärkt. Für diesen Transport machen sich die Forscherinnen und Forscher ein Protein aus der Tierwelt zunutze: nämlich eines, das in Kuhurin und Kuhmilch (v. a. in Rohmilch, besonders von Kühen, die Grünfutter bekommen) vorkommt. Dieses Protein wird in die Haushalte und sogar bis auf die Matratzen der Bewohner eines Bauernhofes mit Kuhhaltung verschleppt.
In einer unabhängigen Studie wurde bereits zuvor Hausstaub mit Allergie-Schutzfaktoren in Zusammenhang gebracht, allerdings mit Fokus auf das Mikrobiom: In einem Mausmodell schützte der Hausstaub einer Amish-Population, welche traditionelle Viehwirtschaft betreibt, vor Allergie, während der Hausstaub einer Hutterer-Population mit stark industrialisierter Viehwirtschaft keinen Schutzfaktor enthielt. Die beiden Gruppen wiesen eine große genetische Ähnlichkeit auf, das Vorherrschen von Asthma und allergischer Sensibilisierung war jedoch bei Amish-Kindern tatsächlich vier bis sechs Mal niedriger als bei Hutterer-Kindern. Mäuse, die in die Nase eine Injektion der in Amish-Haushalten gesammelten Stäube bekommen hatten, waren ebenfalls vor Asthma und Allergien geschützt.
Da es nicht realistisch ist, dass jedes Kind – oder noch besser: jede werdende Mutter – viel Zeit auf einem Bauernhof mit Kühen verbringt, wird nun versucht, die immunstärkenden Eigenschaften des Kuhproteins in einer „Kuhstallpille“ zu bündeln. „Das Protein verfügt über eine Tasche, in der Vitamine und Eisen enthalten sind. Die Komponente ist fettlöslich – wenn die Fette beim Prozessieren und Pasteurisieren der Milch herausgezogen werden, ist diese Tasche leer und das Protein wird zum Allergen, wodurch eine Kuhmilchallergie entstehen kann“, beschreibt Prof.in Jensen-Jarolim die Hintergründe. Mäuse wurden bereits erfolgreich mit dem in Entwicklung befindlichen Nahrungsergänzungsmittel gefüttert, nun wird auf die Ergebnisse der Studie mit Menschen gewartet, wo man sich eine ebenso immunstärkende Wirkung mit Korrektur eines funktionellen Eisenmangels erwartet.
- Studie zu Amish- und Hutterer-Population: Reviewed in: Ober C et al., Curr Opin Immunol 2017 Oct; 48:51-60 (23.07.2020)
- Interessenkonflikt: Univ.-Prof.in Dr.in Erika Jensen-Jarolim ist Gesellschafterin in Biomedical International R+D, Wien, Österreich, einem Spin-off der MedUni Wien und Produzent der Kuhstallpille.