Die Mistel ist kulturell in Europa tief verwurzelt und seit Jahrtausenden als wichtige Heilpflanze bekannt. Den keltischen Druiden galt die Eichenmistel sogar als "alles Heilende". Seit einem Jahrhundert wird die Mistel auch in der Zusatzbehandlung der Krebserkrankung eingesetzt. Die Grundlagen für das pharmazeutisch-therapeutische Konzept anthroposophischer Mistelpräparate wurden durch Rudolf Steiner, den Gründer der Anthroposophie, ausgearbeitet.
In der modernen Komplementärmedizin wird die Mistel zur Unterstützung der konventionellen ("schulmedizinischen") Behandlung von soliden Tumoren in allen Stadien einer Krebserkrankung verwendet und durch Forschung kontinuierlich weiterentwickelt.
Die heute verwendeten Mistelpräparate werden aus der weißbeerigen Mistel (Viscum album) gewonnen. Diese wächst auf unterschiedlichen Laub- und Nadelbäumen (bspw. Apfel, Eiche, Kiefer oder Tanne). Je nach Baumart (fachsprachlich: Wirtsbaum) werden verschiedene Pflanzenextrakte mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen gewonnen, die somit für unterschiedliche Krebserkrankungen eingesetzt werden können. Für die Mistel als Medikament werden die Blätter, Stängel, Knospen und Früchte in hochtechnologischen Verfahren aufbereitet. Das Extrakt wird in verschiedene Konzentrationsstufen verdünnt, in Ampullen gefüllt und mit Spritzen verabreicht.
Die Vielzahl an Inhaltsstoffen der Mistel hat eine Reihe von Wirkungen auf das Immunsystem. Längst sind nicht alle Wirkmechanismen vollständig geklärt, Forschungen liefern immer noch neue Erkenntnisse. Für die Wirkungen entscheidend scheint genau dieser Wirkstoffcocktail zu sein, da er verschiedene Immunzellarten und Zytokine (Proteine, die u. a. das Zellwachstum regulieren) stimuliert und damit die Tumorbekämpfung unterstützt.
Die Mistel wird therapeutisch auf drei Arten eingesetzt:
- in Kombination mit einer Strahlen- oder Chemotherapie (additiver Ansatz)
- zur Verhinderung eines erneuten Krankheitsausbruchs (adjuvanter Ansatz)
- in der letzten Phase der Krebserkrankung (palliativer Ansatz)
Beim additiven Ansatz wird das Mistelextrakt während der konventionellen Therapie verabreicht. Ein Wirkverlust der Chemo- oder Strahlentherapie ist nicht zu befürchten. Im Gegenteil: die Mistel kann die Wirkung einer Chemotherapie sogar erhöhen, weil deren Dosis durch die bessere Verträglichkeit aufgrund der Misteltherapie erhöht werden kann. Zudem können therapiebedingte Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Schlafstörungen reduziert sowie chronische Erschöpfungszustände (Fatigue-Syndrom) gelindert werden. Auch eine Steigerung des Appetits, eine Stabilisierung des Blutbildes sowie eine Hebung der Stimmungslage wurden in Studien nachgewiesen.
Beim adjuvanten Ansatz wird die Mistel nach Abschluss einer konventionellen Behandlung eingesetzt, insbesondere, um das erneute Auftreten des Tumors zu verhindern. In der Praxis ist zu beobachten, dass sich Patienten rascher von der Chemo- bzw. Strahlentherapie erholen, sich ihre psychische Stimmungslage verbessert und sich ihr Immunsystem häufig rascher wieder stabilisiert.
Im palliativen Ansatz geht es darum, die noch verbleibende Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Die Misteltherapie kann dabei zur Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität der Patienten sowie zur Linderung von Schmerzen beitragen.
Vielen ist die Mistel als Halbschmarotzer auf Bäumen bekannt. Aber wussten Sie, dass die Mistel ...
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... im Winter blüht und fruchtet?
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... keine Wurzeln ausbildet sondern einen sogenannten "Senker" (= "Schlauch") zur Verbindung mit dem Wirtsbaum ausbildet?
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... sich nicht wie andere Pflanzen nach der Sonne ausrichtet, sondern in alle Himmelsrichtungen wächst und damit ihre runde Form erhält?
- Hausarzt DIALOG, November 2017: "Misteltherapie bei onkologischen Erkrankungen"