Neurodermitis: Den Juckreiz nachhaltig lindern

Frau mit Neurodermitis kratzt sich am Hals
Juckreiz ist eines der häufigsten und belastendsten Symptome bei Neurodermitis.
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Juckreiz ist eines der häufigsten und belastendsten Symptome bei Neurodermitis. Welche Strategien gegen den quälenden Juckreiz helfen können, erklärt Priv.-Doz. Dr. Barbara Binder in diesem Interview.

Priv.-Doz. Dr. Binder: Die Ursache ist die zugrundeliegende trockene Haut. Durch die Barrierestörung der Haut kommt es zu einem verstärkten Feuchtigkeitsverlust über die Haut. Das führt zu einer trockenen Haut und Ekzemen, welche jucken. Kratzen bringt vorübergehend Erleichterung, doch führt zu weiteren Hautschäden und Ekzemen, die auch wiederum den Juckreiz verstärken können. Ein sogenannter Juckreiz-Kratz-Zirkel ist die Folge.  

Priv.-Doz. Dr. Binder: Das ist altersabhängig. Säuglinge sind vor allem im Gesicht-Wangenbereich oder an den Streckseiten der Arme und Beine betroffen. Ab dem zweiten/dritten Lebensjahr treten die Ekzeme bevorzugt an den Beugeseiten der Extremitäten auf, z. B. in der Armbeuge oder Kniekehle. Die betroffenen Stellen können von Person zu Person variieren und sich auch im Zeitverlauf ändern. Auch der gesamte Körper kann betroffen sein. Entzündete Haustellen an gut sichtbaren Stellen wie im Gesicht, Dekolleté oder an den Händen können äußerst belastend sein; wie etwa offene, wunde Stellen an Fingern: Jeder sieht das, man kann das nicht oder kaum verbergen.  

Priv.-Doz. Dr. Binder: Offene, juckende Stellen bei Neurodermitis sind schmerzhaft und stellen in vielen Lebensbereichen eine große Herausforderung dar. Die Stigmatisierung ist ein weiteres Problem, da „Kontaktmenschen“ oft fälschlicherweise glauben, dass die Erkrankung ansteckend ist. Dies führt zu Vorurteilen und Ängsten, die im Alltag spürbar sind, z.B. auch in Kindergärten, Schulen und bei der Arbeit. Es ist wichtig zu betonen, dass Neurodermitis keine ansteckende Krankheit ist, aber der Irrglaube und die Angst vor Ansteckung sind oft tief verwurzelt. 

Jugendliche können sehr belastet sein. Gerade im Sommer, wenn sie aus Scham auf T-Shirts oder kurze Hosen verzichten und lange Kleidungsstücke tragen. Der Juckreiz wird in warmer Umgebung auch noch schlimmer. Es ist unangenehm, sich ständig kratzen zu müssen. Daher ist es wichtig, dass Menschen mit Neurodermitis ihre Erkrankung gut unter Kontrolle bringen. 

Priv.-Doz. Dr. Binder: Der Juckreiz tritt u.a. vermehrt in der Nacht auf: Durch die Wärme im Bett kommt es zur vermehrten Feuchtigkeitsabgabe der Haut und die Haut beginnt zu jucken. Folglich können viele Patienten nicht ungestört schlafen. Man ist gerädert, wenn man nächtelang nicht gut schläft. Das hat Konsequenzen für den nächsten Tag – beruflich wie auch privat. Man ist gereizt. Im Job bringt man zum Beispiel nichts weiter und in der Schule wird die Schularbeit verpatzt, einfach, weil man nicht ausreichend und erholsam schlafen kann. Bei Kindern leidet häufig die gesamte Familie an Schlafmangel. 

Priv.-Doz. Dr. Binder: Die wichtigste Strategie ist die Basistherapie, also die regelmäßige Hautpflege. Alles, was austrocknet, gilt es zu vermeiden. Eine kühle, luftige Kleidung ist hilfreich genauso wie ein kühles Raumklima beim Schlafengehen. 

Darüber hinaus gilt es gemeinsam mit dem Hautarzt die passende Behandlung eines Ekzemschubes und dann einer Erhaltungstherapie zu finden. Lokale Therapien zum Auftragen auf die Haut wie zum Beispiel spezielle Cremen oder Salben helfen im akuten Stadium. Antihistaminika können ebenso unterstützen, zeigen jedoch nicht optimale Ergebnisse.  

Glücklicherweise gibt es seit einigen Jahren moderne Systemtherapien wie Biologika oder Januskinase (JAK) Hemmer. Diese Medikamente unterbinden die Entzündungsreaktion, was auch den Juckreiz stark lindert. Jedoch: Da die Haut trocken ist, spielt die regelmäßige Hautpflege weiterhin eine wichtige Rolle. 

Priv.-Doz. Dr. Binder: Die kommen strahlend lachend in die Sprechstunde. Kinder wie Erwachsene kommen selbstbewusst und entspannt zur Kontrolle und zeigen, wie gut es ihnen geht. Es ist schön zu sehen, dass es Patient*innen und deren Familien endlich wieder gut geht. Das sind die besonderen Momente.   

Frau Priv.-Doz. Dr. Barbara Binder
© Werner Stieber

Über Priv.-Doz. Dr. Binder 

Priv-Doz. Dr. Barbara Binder ist Oberärztin an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz. Zu ihren Schwerpunkten zählen unter anderem die Diagnose und Behandlung von chronischen Hauterkrankungen wie Neurodermitis sowie die Kinderdermatologie.  

Web-Tipp: neurodermitis-online.at
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Erstellt am:

9. September 2024

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